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Vorbemerkungen zur Mandukya-Upanishade:

 

Die Mandukya-Upanishade ist zunächst wohl ein sehr philosophisches Werk. Aber Philosophie spielt sich zunächst nunmal auch im Bereich des Denkens und der Worte ab.

Insofern kann man da von den Überlegungen von Chândogya's siebenter Lektion nicht absehen.

Nur bevor man sich auf einen Weg irgendwo hin machen kann, muß oder auch sollte man auch wissen, was man will, wohin man will.

Die Mandukya-Upanishade erklärt sehr deutlich jenes "Vierte", jenes jenseits von Wachen, Träumen und Schlafen und ist insofern sehr hilfreich um eine klarere Vorstellung von dem zu haben, worum es bei richtiger Meditation geht.

Darüberhinaus ist sie sehr neutral, nicht religiös und daher für viele Suchende hilfreich.

 

 


Sri Aurobindo's Übersetzung der Mândûkya-Upanishade, des Kommentars von Gaudpada sowie Shankara's Kommentar dazu (vom Autor dieser WEBSeite ins Deutsche übersetzt.)


© Franz Rickinger

(Noch im Entstehen und in Bearbeitung)

 

>>

Sri Aurobindo - Mandukya-Upanishad

mit Gaudapada's und Shankara’s Kommentar:

 

 

1. Om ist dieses unvergängliche, unzerstörbare Wort, OM ist das Universum und dies ist der Ausdruck von Om. Die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft, all das was war, alles was ist und all das was sein wird ist OM.

 

2. Dieses gesamte Universum ist das Ewige Brahman, dieses Selbst ist das Ewige, und das Selbst ist vierfältig.

 

3. Es, dessen Platz die Wachheit ist, es, das weise ist betreffs der Außenwelt, das sieben Glieder hat, für das es 19 Türen gibt, das grobe Objekte fühlt und sich dessen sowie derer erfreut, Vaishwanara, das Universelle Männliche*, das ist das Erste.

 

4. Das, dessen Platz der Traum ist, das weise ist betreffs der Innenwelt, das sieben Glieder hat, für das es 19 Türen gibt, das subtile Objekte fühlt und sich dessen erfreut, Taijasa, das Bewohnende im Erstrahlenden, Lichtvollen, Strahlenhellem Geist, das ist das Zweite.

 

5. Wenn man schläft, gähnt und dies ohne irgendeinen Wunsch, auch keinerlei Traum sieht, so ist das vollkommenes Ruhen, vollkommener Schlummer. Das dessen Platz das vollkommene Ruhen, der perfekte Schlummer ist, das Einseins geworden ist, das, zu sowie in sich selbst gesammelte, ruhende Weisheit ist, das aus reinem Entzücken, reiner Wonne besteht, das unzugeordnetes, beziehungsloses Entzücken genießt [das Entzücken genießt ohne Bezug zu etwas außer sich selbst, in sich selbst ruhend reines Entzücken genießt,], das für welches der bewußte Geist die Türe ist, Prajna, der Herr [/die Herrin, der Lord] der Weisheit, das ist das Dritte.

 

6. Dieses ist das Allmächtiige, das Allwissende, dieses ist die Innere Seele, dieses ist der Schoß, der Mutterleib des Universums, dieses ist der Ursprung und das Ende, die Geburt und der Tod der Geschöpfe.

 

7. Es, das weder aufgrund einwärts gewandtem Weiseseins noch auswärts gewandtem Weisseine weise ist, es, das weder sowohl Weisesein durch Außen-Gewandtheit als auch Innenwandtheit ist, es, das weder selbst gesammelte, angehäufte Weisheit ist noch auf sich selbst gesammeltes Weisesein ist, es, das nicht das Eigentum von Weisheit ist, noch nicht im Besitz von Weisheit ist, Es, Das ungesehen und unansprechbar sowie unbefragbar, unergreifbar, eigenschaftslos, undenkbar und unbennenbar ist, Es, dessen Besonderheit und Wesentlichkeit das Gewahrsein des Selbst in dessen einer sowie einziger Existenz ist, Es, in welchem alle Phänomene aufgelöst sind, Es das Ruhigsein ist, Es das nur Gut, vollkommenes Gutsein ist, Es, welches das Eine ist wozu es vergleichender Weise, per Vergleichgebrauchung kein Anderes gibt [womit man es vergleichen könnte] bezüglich welches es kein Zweites gibt [, das Eine ohne ein Zweites,] Es, wovon man meint, daß es das Vierte sei, Es, das für das Vierte gehalten wird: Es ist das Selbst; Es ist der Gegenstand des Wissens.

 

8. Nun, was das vergängliche Wort anbelangt, ist dieses „das Selbst“ OM: und was die Buchstaben betrifft, so sind dessen Teile die Buchstaben und die Buchstaben sind dessen Teile, nämlich A U M.

 

9. Das Machende aber auch Aufwachende, das Wachende sowie das Wachsein, Vaishwanara, das Universelle Männliche, es ist A, der erste Buchstabe, wegen des Verursachendseins und der Verderblichkeit sowie auch Vergänglichkeit; Jemand, der Das als das weiß sowie kennt, durchdringt und erreicht, sie durchdringend und darüber erstreckend, die Erfüllung aller seiner Wünsche: Es wird zur Quelle, zur Ursache sowie zum Ersten.

 

10. Das Träumen oder auch jemand im Traumzustand [und daher dessen Zustand des Träumens wovon jene Person ein Teil ist oder sich auch für einen Teil, den Träumenden, hält.] , Taijasa, das Bewohnende hellen, leuchtenden Geistes, Es ist U, der zweite Buchstabe, aufgrund von Fortschritt, Entgegenkommen sowie Gewinn und Zentralheit: Jemand der Es als das weiß sowie kennt, verschiebt, vorrückend, die Grenzen seines Wissens, weitet sein Wissen und erhebt sich über die Unterschiedlichkeiten; außerdem ist keiner dessen Samen einer jener entstandenen oder auch hervorgebrachten Samen, welche das Ewigseinde nicht wissen.

 

11. Das Schlafen, der Schlafzustand aber auch die im Schlafzustand sich befindende Person**), Lord der Weisheit, Es ist M, der dritte Buchstabe, wegen dessen Maßes sowie der Maßregel und Endgültigkeit sowie Zweckbestimmtheit; Jemand der Es als das weiß (ver)mißt das Universum mit sich selbst und wird zur Abfahrt in das Ewige,

 

12. Buchstabenlos ist das Vierte, das womit keine Kommunikation möglich ist, das Ende der Phänomene, das Gute, das Eine wozu es nichts gibt, womit es verglichen werden könnte: Es ist daher OM: Jemand der es weiß, der es kennt ist das Selbst und tritt vemöge seines selbstes in das Selbst ein, jemand der es weiß, jemand der das weiß.

 

 

———————

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Shri Aurobindo, The Upanishads, texts, translations and commentaries, Govt. College Libraries. Kota (Raj.).

Volume 12, Sri Aurobindo Birth Centenary Library - Popular Edition, © Sri Aurobindo Ashram Trust, 1972, Published by Sri Aurobindo Ashram Pondicherry, Reproduced at the All India Press, Pondicherry, India.

Angegeben sind in dem Buch u.a.:

Sri Aurobindo wurde geboren am: 15.August 1872

Sir Aurobindo's Mahasamadhi: 5.Dezember 1950

Jubeläumsausgabe: 15.August 1972

 

*) „Das universelle Männliche" gilt heutzutag eher als ein Begriff den es zu vermeiden gilt. Aber in der Technik spricht man nunmal in der Englischen Alltagssprache von "male" und „female"; im Deutschen hingegen von Stecker und Buchse. Man spricht von „Schraube" und „Schraubenmutter", usw. In alter chinesischer Philosphie hat man ying und yang, welche bisweilen oder auch oftmals als „das weibliche Prinzip bzw das „männliche Prinzip" übersetzt werden. (Vgl. etwa.: https:/ /de.wikipedia.org/wiki/Yin_und_Yang oder auch https:/ /m-kung-fu.de/yin-und-yang oder auch https:/ /www.gesundheitswissen.de/alternative-medizin/tcm/yin-und-yang-gegensaetze-die-sich-anziehen.).

 

Goethe läßt den Faust II im „Chorus mysticus" enden mit den Worten:

>>

...

Alles Vergängliche

Ist nur ein Gleichnis;

Das Unzulängliche

Hier wird's Ereignis;

Das Unbeschreibliche,

Hier ist's getan;

Das Ewig-Weibliche

Zieht uns hinan.

...

<<

Goethe, Johann Wolfgang von, "Faust - Der Tragödie erster und zweiter Teil von Goethe", mit dem Urfaust und einer Einleitung von Reinhard Buchwald, Alfred Kröner Verlag, Satz und Druck der Offizin Haag-Drugulin 1940, Seite 324.

Darüberhinaus gibt es in der Indischen Geisteswelt nunmal auch Göttinnen, wie Durga, Kali, Parvati, Saraswati; auch Shakti gilt als eine "Weibliche Kraft", wenn nicht gar als "Das Weibliche" schlechthin.

 

**) Beim Begegnen mit einer schlafenden Person, ob Mensch, Tier usw, sieht man den Schlafzustand, da Schlafen; man sagt „dieses Wesen schläft" und die Unterschiede der Person treten dabei ganz in den Hintergrund und sind letztlich dabei gar nicht mitgemeint.

 

Sri Aurobindo geht in seiner Übersetzung offenbar von „einer schlafenden (analog: wachenden bzw träumenden, notabene) Person" aus und bezeichnet damit nunmal aber auch den Schlafzustand selbst. Daher übersetzte ich, wie ich es nunmal übersetzte.

 

Die Übersetzung für die Worte „Waker", „Dreamer", „Sleeper" kann man darüberhinaus dem angehängten Vokabelverzeichnis entnehmen.

 

Ausgehend vom Vierten und von dem Einen, das mit nichts vergleichbar ist, dem Einen ohne ein Zweites, ist es darüberhinaus so, daß „Der Wachende", „Der Träumende", der Schlafende" eben auch jenes „Eine ohne ein Zweites", das erscheint als „Wachen" bzw Phänomen des „Wachzustandes", als „Träumen" bzw Phänomen des „Träumens", des „Traumzustandes" aber auch als „Schlafen" bzw Phänomen des „Schlafzustandes".

 

 

 

Grammatikalischer Hinweis:

 

Im Vers 7 der Mandukya-Upanishade übersetzte Sri Aurobindo u.a.: 

"...Who is the One than Whom there is no other…" 

Betreffs dieser gramatikalischen Konstruktion siehe beispielsweise Seite 53 in der Englischgrammatik von Prof. Lincke (Lincke, Prof. Dr Kurt, "Grammatik der Englischen Sprache für höhere Lehranstalten bearbeitet von Prof. Dr. Kurt Lincke, Studienrat an der Klinger-Oberrealschule, mit Lehrauftrag an der Universität Frankfurt am Main", dritte Auflage, Frankfurt am Main, Verlag Moritz Diesterweg, 1923).

 

Vokabeln dazu:

Vokabel

 

Übersetzung

Seite

Autor

         

… as to whether …

 

vgl. Ziegler-Seiz, 11.Auflage, 1948

33

Ziegler-Seiz

advance

 

advance (äd-wahnß') vorrücken; vorbringen; beschleunigen; befördern; vorausbezahlen; vorschießen, Fortschritte machen; Vorrücken n.; Beförderung f.: Fortschritt; Vorsprung; Preisaufschlag; Gewinn m.; Entgegenkommen n.; Vorschuß m; in advance im voraus.

3

Dr. Francis Ising

As for, as to

 

As for, as to, in Hinsicht, in Ansehung, in Betreff, was betrifft.

56

Grieb (1842)

as for, as to

 

was betrifft

21

Dr. Friedrich Köhler

deem

 

deem (dihm) urteilen; meinen.

26

Dr. Francis Ising

deem

 

Deem va. beurtheilen, halten für; vn. urtheilen (of über).

86

Dr. Friedrich Köhler

Delight' s.

 

Lust f. Vergnügen n.; Wonne; va. (vn. sich) ergetzen, erfreuen; sich freuen.

88

Dr. Friedrich Köhler

dream

 

Dream, …, (schw. dròm; dän. dröm) s. 1. der Traum (das Träumen und das Geträumte). 2. Traum die eitle Einbildung; Träumerei. His dream is out, sein Traum ist eingetroffen.

279

Grieb (1842)

dream

 

Dream, praet. dreamt oder dreamed, v.n. 1. (mit of vor dem Objekte) träumen (von). 2. ±a) (of) sich träumen lassen Etwas (denken an). b) träumen (müßig denken od. gehen). c) albern, faseln. To dream away life, sein Leben verräumen. —ing träumerisch.

279

Grieb (1842)

dream

 

Dream, v.a. Etwas träumen; von Etwas träumen; Etwas im Traume sehen; to — a dream, einen Traum haben. And dreamt the future fight. DRYDEN. I dreamt a pleasant thing. mir träumte etwas Spaßhaftes.

279

Grieb (1842)

dreamer

 

Dreamer,..vgl. Grieb/Schröer

315

Grieb/Schröer

dreamer

 

Dreamer,…s. -+ u. ±der Träumer

279

Grieb (1842)

expose

 

expose (-pou's) aussetzen; bloßstellen.

39

Dr. Francis Ising

exposition

 

exposition (ekß-po-sißch'n} Erklärung; Ausstellung f.

39

Dr. Francis Ising

exposition

 

Exposi'tion s. Aussetzung; Ausstellung; Lage; Erklärung.

122

Dr. Friedrich Köhler

exposition

 

Exposition, vgl. Grieb/Schröer

358

Grieb/Schröer

final

 

Final, …

339

Grieb (1842)

final, finality, finale

 

fin|al,.. finality …vgl. Ziegler-Seiz, 11.Auflage, 1948

213

Ziegler Seiz

final, finally

 

Fi'nal a., -ly adv. endlich, schließIich: entscheidend.

130

Dr. Friedrich Köhler

final, finally

 

final(ly) (fei-näl) endlich; letzt.

42

Dr. Francis Ising

gather, gather into

 

gather (gädh'r) sammeln; falten; aufhäufen; pflücken; ernten: sich sammeln; eitern.

47

Dr. Francis Ising

gathering

 

gathering Sammlung; Versammlung; Kollekte f.; Geschwür n.

47

Dr. Francis Ising

Imperishable

 

Imperishable a., -bly adv. unvergänglich; -ness s. Unvergänglichkeit

165

Dr. Friedrich Köhler

inward, the inward

 

inward (in'-uerd) Inner; innerlich; einheimisch; inländisch; einwärts ; das Innere; -s Eingeweide n.

66

Dr. Francis Ising

inwards

 

inwards einwärts; nach innen.

66

Dr. Francis Ising

measurable

 

measurable (mesch'e-rc-bl) meßbar; mäßig.

83

Dr. Francis Ising

measure

 

measure (mesch'örr) Maß n.; Maßstab m.; Maßregel f.; to take measures Anstalten treffen; messen; ab-, ausmessen.

83

Dr. Francis Ising

nor

 

nor (nohr) weder; noch; nor I either (ih'dhr) ich auch nicht.

95

Dr. Francis Ising

nor

 

Nor, vgl. auch Grieb/Schröer

666

Grieb/Schröer

nor

 

Nor,…, (ne u. or) conj. 1. (zur Bezeichnung einer Verneinung und gewöhnlich mit vorangehendem neither oder not) (weder…) noch. 2. bisweilen, gewöhnl. , ist neither ausgelassen. 3. steht bisweilen — statt neither in dem ersten Theile eines Satzes. 4. (Oertl. für) than. 1. I neither love nor fear the. SHAK. 2. Simois — Xanthus shall be wanting there. DRYDEN. 3. I whom — avarice — pleasures move WLASH. Neither — nor, weder … noch.

602

Grieb (1842)

now

 

Now, .., (angels. nu; holl., schw. dän. u. goth. nu; gr.nyn; lat. nune; nun) adv. 1. nun (nunmehr, nach diesem, unter diesen Umständen; zu der Zeit). 2. jetzt (in diesem Augenblick, gegenwärtig). 3. eben; just —, erst od. eben jetzt, so eben. 4. bald (zu einer Zeit, zu einer andern Zeit). 1. Now it is too late. — How shall any man distinguish - betwixt a parasite and a man of honor? L'ESTRANGE. He was — sensible orf his mistake. WEBSTER. 4. Now high, — low, — master up, — miss. POPE. But Now, but just —, even —, erst od. eben jetzt, gerade erst. Until —, bis jetzt. Before —, ehedem, schon, schon einmal. Now …now, bald …bald, — and then, 1. dann u. wann, zuweilen. 2. da u. dort, hier u. da. (A mead here, there a heath, and now and now a wood. DRAYTON). — know ye (in Dokumenten) kund u. zu wissen sei hiermit.

605

Grieb (1842)

now

 

Now, adj. † jetzig (z.B. the — thing).

605

Grieb (1842)

now

 

Now, conj. nun (um eine Verbindung, Folge, Ursache anzuzeigen); nun … aber. The other great mischief which befalls men, is by their beining misrepresented. — by calling evil good, a man is misrepresented to others in the way of slander … SOUTH. Now now! (( nun, nun, was soll das?

605

Grieb (1842)

now

 

Now, s. der gegenwärtige Augenblick, das Nu. But an eternal now does ever last. COWLEY.

605

Grieb (1842)

now-a-days

 

Now-a-days,… adv. (( heut zu Tage, heutigen Tages.

605

Grieb (1842)

noway

 

Noway, (no und way) adv. keineswegs

605

Grieb (1842)

noways

 

Noways, adv. keineswegs

605

Grieb (1842)

outward, the outward

 

outward (-'uörd) Äußeres; äußerlich; auswärtig.

102

Dr. Francis Ising

outwards

 

outwards (-'uörds) auswärts.

102

Dr. Francis Ising

pervade

 

Pervade' va. (durch)dringen; einnehmen.

237

Dr. Friedrich Köhler

pervade,pervaded by

 

Pervade, ..., (lat. pervado) v.a. 1. -+ durchdringen. 2. ±a) durchdringen, einnehmen (den Geist ϰ.). b) sich erstrecken über... 1. Liquors that pervade the pores. NEWTON 2.a) spririt of conceiliation —s all classes of men.

664

Grieb (1842)

perversive

 

perversive (-'ßiw) verderblich. 108

108

Dr. Francis Ising

relate

 

Relate' va., berichten, erzählen, melden; vn. sich beziehen, to be -d to verwandt sein mit.

265

Dr. Friedrich Köhler

sleeper

 

Sleeper, …, s. 1. der Schläfer, 2. ±a) † ein Gesetz ϰ., das schläft, ruht, nicht vollzogen wird. BACON. b) die Schlafhaube (ein träger Mensch). 3. [Zool.] der Winterschläfer (wie der Bär ϰ.); (und in engerer Bedeutung) die Haselmaus., 4. [Techn.] a9 pl. Sleepers. [Mar.] Tümeler oder Knie in den Billen eines Schiffes, wovon der eine Arm an die Heckbalken od. Worpen und der andere an die Inhölzer gebolzt ist. b) pl. die Kimmweger. c) [Glashütten] ein Rost, Riegel um das Durchfallen der kleinen Kohlen zu verhindern. d) [Zimmerl.] pl. Sleepers, die Querbalken in unteren Stockwerken eines Hauses, welche unter den Mauern durchgezogen sind, od. die unterlage des Fußbodens bilden. e9 pl. Sleepoers, die Bohlen in einer Batterie, auf denen die Kanonen und Mörser stehen. f) (überhaupt) eine Bohle ϰ., die eine Sache als Grundlage dient. 5. [Ichthyol.] Flederfisch (exocoetus).

870

Grieb (1842)

sleepfulness

 

Sleepfulness,…, s. † die Schlaftrunkenheit.

870

Grieb (1842)

sleepily

 

Sleepily,..., adv. 1. schläfrig. 2. a) ±schläfrig (träge). b) dumm, auf eine einfältige Weise.

870

Grieb (1842)

sleepiness

 

Sleepiness,.., s. die Schläfrigkeit

870

Grieb (1842)

sleeping

 

Sleeping,.., s. das Schlafen …

870

Grieb (1842)

sleppful

 

Sleepful,…, adj. † schlaftrunken

870

Grieb (1842)

slumber

 

slumber (ßlöm'br} Schlummer m.; schlummern.

144

Dr. Francis Ising

slumberous

 

slumberous einschläfernd.

144

Dr. Francis Ising

than

 

... — 52 — ... § 72, vgl. Prof. Dr. Kurt Lincke

Seiten 52 und 53

Lincke, Kurt

than

 

13. no sonner ... than: vgl. Prof. Dr. Kurt Lincke

170

Lincke, Kurt

than

 

16. than: vgl. Prof. Dr. Kurt Lincke

170

Lincke, Kurt

than

 

more than is fit: gl. Grieb (1842): Fit,... It is not fit, es ziemt, schickt sich nicht. To be - for, passen, taugen (zu); sich schicken, sich ziemen für...; ...Not - fit to be named, nicht wohl zu nennen. More than is -, über Gebühr. To make one's self - for ... sich bereiten zu ... Fit, v.a. 1. geschickt, bequem, gemäß, einrichten, ordnen, anordnen. 2. ... 3. einirchten, fertig machen; rüsten. 4. (to) einirchten, bequemen (nach). …

242

Grieb (1842)

to be related to

 

verwandt sein mit.

265

Dr. Friedrich Köhler

unrelated

 

Unrelated, …, adj. 1. (- + und ±) nicht verwandt. 2. unerzählt, unberichtet.

1048

Grieb (1842)

unrelated

 

Unrelated, …,vgl. Grieb/Schröer

1213

Grieb/Schröer

wake

 

wake (uehk) wachen; er-, aufwachen; wecken; er-, aufwecken; Kirchweihfest n.; Nacht-, Totenwache f.

192

Dr. Francis Ising

wake

 

Wake vn. wachen ; erwachen; va. (- up) wecken; - s. Wachen n.; Wache; (pI.) Kirchweihfest; Kielwasser n.

346

Dr. Friedrich Köhler

wakeful

 

wakeful ( -'full) wachsam.

192

Dr. Francis Ising

wakeful

 

Wake'ful a., -ly adv. wachend; wachsam; -ness s. Wachen n.; Slaflosigkeit.

346

Dr. Friedrich Köhler

waken

 

waken (ueh'kn) wachen; wecken.

192

Dr. Francis Ising

wakener

 

Wakener, s. de Erwecker, Etwas, das erweckt od. reizt, das Reizmittel.

1081

Grieb (1842)

waker

 

Waker, s. 1. Einer, der macht, der Wachende. 2. Einer, der erwacht, der Erwachende. Prov. Late watchers are no early wakers. Wer spät zu Bette geht, steht spät auf.

1081

Grieb (1842)

       

Muret Sanders

 

 

 

 

 


Mandukya-Upanishade 

in der Übersetzung ins Englische von

Swami Nikhilananda.


© Franz Rickinger

 

(Ins Deutsche weiterübersetzt vom Autor dieser WEBSeite)

 

zur Mandukya-Upanishade  in der Übersetzung ins Englische von Swami Nikhilananda.


Professor Dr. Paul Deussen's Übersetzung und Anmerkungen der bzw zur Mâṇḍûkya-Upanishade:

 


© Franz Rickinger

Professor Deussen's Übersetzung der Mandukya-Upanishade unklusive dessen Anmerkungen:

 

Erst einge Vorbemerkungen vom Autor dieser WEBSeite:

a) Zur Akzeptanz von Professor Dr. Paul Deussen bei thematik-bezogenen indischen Gelehrten, sei beispielsweise auf einen Hinweis im Vorwort eines Buches von K. Narayanaswami Aiyar, hingewiesen.

Herr V. Raghavan schreibt da über eine gewisse Klasse von Meditationsarten, welche ahagrahopsāsanā genannt werde. Betreffs einer (sowohl beschreibenden als auch erklärenden symbolischer) allgemeinen Darstellung von Brahman und upāsanā mittels solcher Vorstellungen verweist Herr V. Raghavan auf die englische Ausgabe von Deussen's Buch "Die Philosophie der Upanishad’s", welche beispielsweise in der vierten deutschsprachigen Auflage in Leipzig bei F.A. Brockhaus im Jahre 1920 erschien. (Die anscheinend erste Ausgabe aus dem Jahre 1899 kann vermöge der Bayerischen Staatsbibliothek Online gelesen werden. (Suchbegriff im Online-Katalog etwa. >>"Die Philosophie der Upanishad’s", Deussen<<; www. bsb-muenchen.de ).

Konkret verweist Dr. Ventakataraman Raghavan in obigem Zusammenhang auf I. 2. 4-8 und I. 3.

Betreffs Dr. Ventakataraman Raghavan (1908 - 1979) siehe etwa: https:/ /libraries.indiana.edu/dr-v-raghavan-Collection oder auch
https:/ /en.wikipedia.org/wiki/V._Raghavan

 

(Einen kleinen, allgemeineren Überblick zur Bedeutung von Professor Deussen aus der Sicht Indiens findet man ua auch bei:

https:/ /www.wisdomlib.org/concept/paul-deussen)

 

Betreffs Professor Deussen und Swami Vivekananda erschien 2012 im  Buch Religionswissenschaft von Michael Stausberg ein Kapitel, titels "Indischer Swami und deutscher Professor: 'Religion jenseits des Eurpozentrismus'", das Prof. Dr. Michael Bergunder verfaßte.

Betreffs Prof. Dr. Michael Bergunder (Professor für Religionsgeschichte und Missionswissenschaft an der Universität Heildelberg), siehe etwa: https:/ /www.uni-heidelberg.de/fiit/personen/Bergunder.html

 

b) Im dritten Abschnitt (von Professor Deussen's Übersetzung der Mandukya-Upanishad) „genannt Advaitam, »die Zweiheitlosigkeit'« heißt es u.a. wie folgt:

>>

...

34. Dieser Vorgang besteht darin,

Daß zwangweis alle Regungen

Des Geistes unterdrückt werden, —

Anders ist es im tiefen Schlaf

...

<<

Statt der Worte „zwangsweise", „unterdrücken" würde man auch, im Sinne der Transzendentalen Meditation, jenem Wissen, jenem „Know-How" das Swami Brahmananda Saraswati, lt. Mr. Mahesh, wiederbeleben habe können und wiederbelebt habe - aber auch ÜbersetzerInnen der Patañjali Yogasutren, wie zB Deshpende/Betina Bäumer (O.W. Barth-Verlag, zB Jubeläumsausgabe) - von einem „den Geist mithilfe richtiger Meditation zur Ruhe finden lassen" erfahrungsgemäß sinnvollerweise übersetzen können.

 

Im Buch „Vivekananda -Leben und Werk" von Swami Nikhilananda", findet man auf den Seiten 190 und 191 Einiges über einen Aufenthalt von Swami Vivekananada in der Schweiz. (Das war anscheinend ca 1896). Ua erreichte Vivekananda dort ein Brief von Professor Paul Deussen aus Kiel.

Vivekananda änderte seine Reiseroute und besuchte Prof. Deussen in Kiel.

Swami Nikhilananda erwähnt, daß Professor Deussen wohl der einzige Indologe in Europa war, der Sanskrit fließend sprechen konnte.

Prof. Deussen begleitete Vivekananda dann nach London, um mehr Zeit mit Ihm verbringen zu können.

Es heißt in dem Buch, er habe von Vivekananda mehr darüber erfahren wollen, wie man das was in den Patañjali-Yogasutren stehe, praktisch zu verstehen habe, wie man dieses „Samyama" ausübe, „wie das gehe", „wie man das mache".

Vgl.: Nikhilananda, Swami, "Vivekananda Leben und Werk" von Swami Nikhilananda, Drei Eichen Verlag München 60 + Engelberg /Schweiz, deutsche Bearbeitung von Spengler-Zomak aus dem Jahre 1972

auch interessant in diesem Zusammenhang: 

https:/ /vivekanandaabroad.blogspot.com/2020/09/kiel-germany-9-september-1896.html

 

Insofern wird es interessant sein nachzusehen, wie Prof. Deussen nach seinen Gesprächen mit Vivekananda, also in Werken, die er nach 1896 verfaßte, ähnliche Stellen übersetzte bzw evtl. neu übersetzte. (Nunja, falls mir mal Zeit bleibt...)

Interessant in diesem Zusammenhang ist ein Schreiben von Swami Vivekananda, titels "On Dr. Paul Deussen" aus dem Jahre 1896

siehe zB.: https:/ /vivekavani.com/dr-paul-deussen-swami-vivekananda.

 

Die Übersetzung "Unterdrücken des Geistes" würde Professor Deussen nach den Gesprächen mit Vivekananda eventuell nicht gebraucht haben.

Andererseits hat Prof. Deussen sicherlich formal korrekt übersetzt, da der Zustand der „Unterdrücktheit des Geistes" (wenn das möglich sein sollte) derselbe Zustand wäre wie der „Zustand der unübertrefflichen inneren Ruhe", des „bhouma". Und nach deutschen Sprachregeln kann man dafür auch schreiben „der Zustand, der sich aus unterdrücken des Geistes ergibt/ergäbe". (Ist etwas formal richtig übersetzt, kann man, vernünftig denkenderweise, da weiterkommen.)

Gemäß Vivekananda's Übersetzung der und Darstellungen zu den Pâtañjali-Yogasutren, wird Professor Deussen dann wohl ein Wort, ausgehend vom englischen Wort „concentration" in den Vordergrund gerückt haben.

Prof. Deussen habe sich sehr für die Kraft der „Konzentration" und insofern für die Kontrolle über die eigenen Gedanken interessiert, berichtete auch Swami Nikhilananda in obiger Biografie, notabene.

 

In Swami Nikhilananda’s Biografie zu Swami Vivekananda findet man im Anhang - siehe Seiten 338 bis 340 - einen Abschnitt titels „Meditation"; die Stellen sind, wie es heißt, entnommen aus Büchern von Swami Vivekananda, nämlich „Swami Vivekananda on Religion and Philosophy" und außerdem „Teachings of Swami Vivekananda". Vivekananda’s Darstellungen wurden ins Deutsche übersetzt.

Er beschreibt darin „Konzentration" als entscheidendes Mittel und erwähnt auch eine eigene Erfahrung; es erinnert etwas an Gopi Krishna’s „Meditationsübung".(vgl. Krishna, Gopi, "Die Erweckung der Schlangenkraft",  O.W. Barth Verlag.) Andererseits lehnt er an einer Stelle jedoch „ein Unterdrücken" ab.

Gelegentlich übersetze ich - aus Gründen der Neutraliät und Unparteilichkeit - die ca 2 Seiten aus Swami Vivekananda’s Büchern.

Im Abschnitt „26) Patañjali" im Kapitel „Ad: TM-Hintergrund, Basis" gehe ich etwas auf Patañjali’s Yogasutren ein. In meiner WEBSeite „klassische-indische-texte-91-19i.de" findet man im Kapitel „Allgemeines" einen Abschnitt „Patañjali-Yogasûtren" und dort findet man auch einige der Überlegungen von Swami Vivekananda übersetzt; außerdem befasse ich mich dort auch etwas ausführlicher mit „Unterdrücken?" „Konzentration?" und zitiere darüberhinaus die Übersetzung der entsprechenden englischen Worte ins Deutsche, sodaß die englischen Worte wie „concentration" unparteiisch, sachlich-korrekt verfügbar sind.

 

Wenn es in Chândogya-Upanishad’s siebenter Lektion, der Belehrung des Nârada durch Sanatkumar, ua heißt, daß alles was Nârada bislang gelernt habe nur Worte seien und als Nârada fragte, ob es denn was Höheres gäbe, die Antwort des Sanatkumar lautete, daß dies die „Rede" sei, usw und auf diese Weise, per Fragen und Antworten, der weise Sanatkumar den suchenden Nârada schließlich zur „unübertrefflichen inneren Ruhe" führte, kommt eben auch das zum Ausdruck, was Prof. Deussen im Zusammenhang mit der Mâṇḍûkya-Upanishad mit „Unterdrücken des Geistes" übersetze.

Allerdings geht es dabei um kein gewaltätiges Unterdrücken, sondern um ein zur Ruhe kommen, wie es Pater Rixner, der u.a. jene Upanishade 1808 ins Deutsche übersetzt hat und es als Buch herausgegeben werden hatte können, gemäß der Biografie von Prof. Lipp wohl verstanden hatte.

(Siehe dazu: Chândogya-Upanishade in „klassische-indische-texte-91-19i.de"; siehe auch den vierten Abschnitt „4) Chândogya-Upanishad < - > Mr. Mahesh-Buch" im Kapitel III titels „Antworten" im Menüpunkt „Home, verpfuschtes Leben"/ 4) in schulerlebnis–91-19i.bayern.)

In „Knaurs Grosses Handbuch der Heilmethoden" geht es in den Seiten 834, 836 und 837 um das Thema „Meditation", wie es sich jene Ärzte oder auch Psychologen vorstellen.

Da wird im Zusammenhang mit „Mantra-Meditation" ebenfalls von Konzentration geschrieben (Seite 835 unten und Seite 836 oben). Es wird jedoch betont, daß es nicht um ein Erzwingen gehe. Der Zustand der erreicht werde wird darin, als etwas wie "entspannte Konzentriertheit" dargstellt.

 

Solange man versucht „die innere Ruhe" bzw den Zustand des Samadhi (= Turiya) zu erzwingen, ist man ja noch - mehr oder weniger intenstiv mit Erzwingen" beschäftigt, also im Wachzustand und keinesfalls in dem Zustand „unübertrefflicher innerer Ruhe".

In der Mâṇḍûkya-Upanishad findet man auch ähnliche Überlegungen, wenn es um Widersprüchlichkeiten usw geht.

Man muß eben auch Abstand nehmen vom „Zur Ruhe kommen wollen", da man eben auch von dieser Absicht, diesem Wollen, das noch eine Aktivität ist und den Geist im Bereich des Aktivseins sein läßt, erst zur Ruhe kommen müsse. So wird die Ruhe insofern in sich selber gefunden, im eigenen subjektiven Wollen oder auch Beabsichtigen oder auch Ausprobieren oder auch Unternehm; aber auch im Bereich der Außenwelt, der Sinne, was anfänglich für die Hauptunruhe gehalten werden mag, wird eben jene „Ruhe" gefunden, sodaß man dann schließlich merkt, daß man ja noch mit dem „Wollen" befaßt ist und da insofern eben noch eine tieere Ruhe möglich sein sollte, indem man auch das Wollen zur Ruhe kommen läßt, davon Abstand nimmt ohne neuerliches Wollen zu starten.

Nach diesen einfachen Überlegungen, ist festzustellen, daß es in diesem Vers 34 im dritten Abschnitt „genannt Advaitam, »die Zweiheitlosigkeit'«" um genau den Bereich der Meditation geht.

Im Pater Abs’s Buch „Halle aller Religionen, der Sanatana Dharama" von 1923, erschienen im Kurt Schröder Verlag, findet man dazu ausführliche, von den Initiatoren der „Halle aller Religion" sehr bemüht ausgewählten kompetenten Personen verfaßte, Informationen zu u.a. den Themen Hatha-Yoga, Mantra-Yoga, Laya-Yoga und Raja-Yoga und insofern eben auch zum Thema Meditation.

Mr. Mahesh vertrat übrigens stets den Standpunkt, daß Meditation nicht mittels Büchern gelehrt werden könne, sondern grundsätzlich nur von kompetenten, erfahrenen MeditationslehrerInnen, die selbst ausreichende Erfahrung betreffs Meditation haben, gelehrt werden könne.

Es ist nicht meine Ansicht per Buch "Meditation" zu lehren; weder per Buch, noch in dieser WEBSeite noch anderen WEBSeiten. Zumindest jene "Transzendentale Meditation" (wie im  Zeitraum 1971 bis 1975/1976 gelehrt), welche Mr. Mahesh lehrte, durfte, gemäß der Anordnungen des Mr. Mahesh,  Minderjährigen nicht ohne schriftlicher Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten gelehrt werden. Alleine schon daher kann es auch gar nicht möglich sein es per Buch, WEBSeite oä zu lehren; es war insofern auch noch nie möglich.

 

 

Nun aber Professor Deussen’s Übersetzung dieser Upanishade:

(Überarbeitung nochmals nötig. Stand 10.9.2024):

>>

...

Die Mâṇḍûkya-Upanishad

des Atharvaveda,

 

mit der Kârikâ des Gauḍapâda über dieselbe.

——————

EINLEITUNG.

———

Die Mâṇḍûkya-Upanishad, in Prosa, trägt zwar den Namen einer halbverschollenen Schule des Rigveda, wird aber zum Atharvaveda gerechnet und ist, wie nicht nur die zahlreichen Zitate, sondern auch die systematische Geschlossenheit ihrer Darstellungsweise zeigen, erheblich später als die prosaischen Upanishad's der drei ältern Veden, von deren Weitschweifigkeit ihre Kürze und Präzision sehr merklich absticht. Mit der Maitrâyaṇa-Upanishad bieten sich mehrere Berührungspunkte, und es wird noch näherer Untersuchung bedürfen, auf welcher Seite die Priorität ist. Hingegen macht die Mâṇḍûkya-Upanishad den meisten Upanishad's des Atharvaveda gegenüber einen mehr altertümlichen Eindruck, namentlich sofern sie an dem Worte Om nur drei und noch nicht dreiundeinehalbe Mora's unterscheidet.

Der Grundgedanke der Mâṇḍûkya-Up. ist, daß in der Silbe Om die ganze Welt ausgedrückt ist. Den Beweis für diesen Satz führt sie wie folgt: Die Welt ist Brahman, Brahman ist der Âtman, der Âtman aber ist der Om-Laut, sofern dessen Moren die vier Viertel oder Füße, d. h. die vier Zustände des Âtman entsprechen. Diese vier Zustände sind: 1) das Wachen, Vaiçvânara (so benannt, weil seine Eindrücke allen gemeinsam sind; vielleicht, nach Çañkara, auf Chând. 5,11—18 zurückgehend), in welchem der Âman nach außen erkennt; 2) der Traumschlaf, Taijasa (der lichte, weil in ihm der Âtman sein eigenes Licht ist, svena bhâsâ, svena jyotishâ prasvapiti, Bṛih. 4,3,9), in welchem der Âtman nach innen

 

 

 

574

Atharvaveda.

 

 

erkennt; 3) der Tiefschlaf, Prâjña (weil in ihm der Âtman nach Bṛih. 4,3,21 mit dem prâjña âtman, d. h. Brahman, vorübergehend eins wird; 4) der „Vierte", Caturtha (Turîya, Turya), in welchem die Auslöschung der Weltausbreitung nicht, wie beim dritten Zustande, unbewußt, sondern mit Bewußtsein vollbracht wird. Dem ersten Zustande entspricht in Om (a + u + m) das a, dem zweiten das u, dem dritten das m, dem vierten der moralose (amâtra) Teil des Wortes, wie durch Etymologiespiele bewiesen wird.

Die Mâṇḍûkya-Upanishad wird von Çañkara im Kommentar zu den Brahmasûtra's auffallenderweise nicht benutzt; hingegen ist sie nicht nur auf mehrere Upanishad's des Atharvaveda von großem Einflüsse gewesen, sondern dient auch, wiewohl mit veränderter Bedeutung ihrer Grundbegriffe. mehr als irgendeine andre Upanishad den geistvollen Konstruktionen des Vedântasâra zur Voraussetzung.

 

Ihre größte Bedeutung aber liegt darin, daß sie Anlaß gegeben hat zu einem der merkwürdigsten Monumente der indischen Philosophie. nämlich zu der Kârikâ des Gauḍapâda, einem Werk, dessen Wertschätzung sich schon darin kund gibt, daß seine vier Teile (deren erster die Mâṇḍûkya-

Upanishad einschließt) als vier Upanishad's gerechnet zu werden pflegen.

Daß der Autor dieser Kârikâ; welcher in der schrofßten Weise den reinen Advaita-Standpunkt vertritt, derselbe Gauḍapâda sei, der in seinem Kommentar zur Sâñkhyakârikâ die Lehre des Kapila als das Mittel der Erlösung preist, können wir nicht glauben, und wenn Spätere, wie Vâcâcspatimiçra und Vijñânabhikshu die verschiedensten Systeme kommentiert haben, so ist das doch etwas andres; denn die Mâṇḍûkya-Kârikâ ist in ihren drei letzten Teilen ein vollkommen selbständiges Werk, und der Autor desselben proklamiert, offenbar aus tießter Überzeugung, einen Standpunkt, welcher es ihm unmöglich machen mußte, sich auch nur vorübergehend zum Interpreten der Lehre der „Zweiheitler" zu machen. die er so entschieden bekämpft. Hingegen ist es sehr glaublich, daß unser Gauḍapâda der Lehrer des Govinda, des Lehrers des Çañkara gewesen sei; beide, Gauḍapâda und Çañkara, stehen in allem Wesentlichen auf demselben Standpunkte, und viele Gedanken und Bilder, in denen Çañkara sich ergeht, sehen wir bei Gauâpâda schon auftauchen (Akkomodation der Schrift, Polemik gegen die Kausalität, das objektlose Erkennen usw.; Schlange und Strick, Weltraum und Topfraum, Traum, Mâyâ, Wüstenspiegelung usw.); ja, man Kann sagen, daß Çañkara die Lehren des Gauapâda in ähnlicher Weise zum Systeme fortbildet wie Platon die des Parmenides.

Gauḍapâda und Parmenides, — dieser Vergleich wird sich jedem Leser des hier zum erstenmal übersetzten indischen Gedichtes von selbst aufdrängen, da der Grundgedanke beider Philosophen derselbe ist, ja auch die Ausführumg desselben oft merkwürdige Berührungspunkte zeigt. Alle Behauptungen des Parmenides laufen auf die beiden hinaus, daß es 1) keine Vielheit und 2) kein Werden gibt; und dem entsprechend bewegt sich das indische Gedicht von Anfang bis zu Ende in den beiden Begriffen 1) des advaitam, der Nichtvielheit, 2) der ajâti, des Nichtwerdens; und

 

 

 

575

Maṇḍûkya-Upanishad, Einleitung.

wenn wir auch, wie gewöhnlich in Indien, eine geordnete Disposition vermissen, so daß dieselben Gedanken in ermüdender Weise immer wieder vorkommen, wenn wir auch oft statt der Erklärungen nur Bilder, statt der Beweise bloße Behauptungen empfangen, so wird doch jeder Sachkenner den Eindruck gewinnen, daß das Gedicht des Gauḍapâda ebenso wie das des Parmenides auf tiefer und echter, wenn auch nur intuitiver, metaphysischer Einsicht beruht.

   Wir wollen hier nur noch den Gedankengang der vier Teile in seinen Hauptzügen andeuten, indem wir im übrigen auf unsere Übersetzung verweisen, welche, durch den Zwang des Metrums und der dadurch geforderten Kürze, nicht überall so wörtlich sein konnte, wie es nach andrer Seite erwünscht gewesen wäre; doch hoffen wir den Gedanken nirgendwo verfehlt zu haben. Nicht aber befinden wir uns überall in Übereinstimmung mit dem unter Çañkara's Namen überlieferten Kommentar, welcher oft entschieden fehl greift; z. B. wenn er 4,83 von den vier Thesen 1) asti, 2) na asti, 3) asti, na asti, 4) na asti, na asti, iti „Er ist nicht", die vierte für gleichbedeutend mit na asti, na asti, iti (vielleicht las er so) nimmt und auf den Atyantaçûnayavâda, d. h. wohl die buddhistische Schule der Mâdhyamika’s, bezieht; — und so in vielen andern Fällen.

…

576

…

577

Mâṇḍûkya-Upanishad, Einleitung.

IV. Alâtaçânti, die Beilegung des Feuerbrandkreises.

1) Vers 1 - 46. nachdem die Hauptsätze des vorigen Abschnitts, daß ein Werden weder des Seienden noch des Nichtseienden denkbar ist, und daß kein Ding je anders werden kann, als es seine Natur nach ist, nochmals eingeschräft worden, weist der Dichter die Widersprüche, die im Kausalitätsbegriff liegen, nach; Die Verhältniss von Ursache und Wirkung (kâraṇam und kâryam), Grund und Erfolg (hetu und phalam), Wahrgenommenem und Wahrnehmung sind undenkbar; daher es kein Werden gibt, auch nicht des Saṃsâra, welcher nie, und der Erlösung, welche immer bestanden hat (Vers 30 -31). Auch in dem vorsteööenden Subjekte ist kein Werden: Die Vorstellungen des Wachens beruhen ebenso wie die des Traumes, wie hier abermals ausgeführt wird, auf Irrtum, sodaß es weder im Objekte noch im Subjekte ein Werden gibt.

2) Vers 47 -52. ...

3) Vers 53 -77. ...

4) Vers 78 - 100. ...

 

Erster Teil.

§ 1.

1. Om! Diese Silbe ist die ganze Welt. Ihre Erläuterung ist wie folgt.¹

Das Vergangene, das Gegenwärtige und das Zukünftige.

——————

¹ Diesselbe Wendung Chând. 1,1,1.

 

DEUSSEN, Upanishad's

...

578

Atharvaveda

dieses alles ist der Laut Om. Und was außerdem noch über die drei Zeiten hinausliegend ist, auch das ist der Laut Om.

2. Denn dies alles ist Brahman, brahman aber ist diesr Âtman (die Seele), und dieser Âtman ist vierfach.

3. Der im Standes des Wachens befindliche, nach außen erkennende, siebengliedrige ¹, neunzehnmündige², das Grobe genießende Vaiçnâvara ist sein erstes Viertel.

4. Der im Stande des Träumens befindliche, nach innen erkennende, siebengliedrige¹, neunzehnmündige², das Auserlesene genießende³ Taijasa ist sein zweites Viertel.

5. der Zustand, „wo er, eingeschlafen, keine Begierde mehr empfindet und kein Traumbild schaut" (Bṛih. 4,3,19), ist der Tießchlaf. Der im Stande des Tießchalß befindliche „einsgewordene" (Bṛih. 4,4,2), „durch und durch ganu aus Erkenntnis bestehende" (Bṛih. 4,5,13), „aus Wonne bestehende" (Taitt. 2,5), die Wonne genießende, das Bewußtsein als Mund habende Prâjña ist sein drittes Viertel. 6. „ Er ist der Herr des Alls" (Bṛih. 4,4,22), er ist „der innere Lenker" (Bṛih. 3,7), er ist die Wiege des Weltalls (vgl. Muṇḍ. 1,1,6), denn er ist „Schöpfung und Vergang" (Kâṭh. 6,11) der Wesen.

——————

1. Allwärts, außenbewußt Viçva,

Innenbewußt ist Taijasa,

Ganz nur Bewußtsein ist Prâjña,

Einer ist's, der für dreie gilt.

 

2. aus rechtem Auge blickt Viçva,

im Manas drinnen Taijasa,

im Raum im Herzen weilt ,

So ist dreifach im Leib sein Stand.

 

3. Grobes genießend ist Viçva,

Auserlesenes Taijasa,

——————

¹ Chând. 5,18,2 (Çañkara).

² Zehn Indriya's, fünf Prâṇa's, Manas, Buddhi, Ahañkâra, Cittam (Çañkara). Vgl. unten, S. 623 Anm.

³Bṛih. 4,2,3 oben S. 462

 

579

Mâṇḍûkya-Kârikâ 1,3.

Wonne genießend ist Prâjña, Dreifach so sein Genießen ist.

 

4. An Grobem sättigt sich Viçva,

An Auserles'nem Taijasa,

An Wonne sättigt sich Prâjña,

Dreifach ist seine Sättigung.

 

5. Wer ist in diesen drei Ständen

Genießer? was Genuß-Objekt?

Wem dieses wohlbewußt beides,

Der genießt und wird nicht befleckt (Içâ 2).

 

6. Ein Ursprung ist aller Wesen

Als seiender, das ist gewiß:

Der Geist (purusha) als Lebenskraft (prâṇa) schuf sie

Getrennt wie Sonnenstrahlen nur.

 

7. Manche halten die Weltschöpfung

Für eine Machtentfaltung (vibhûti) nur,

Andre wieder für Traum halten

Die Schöpfung und für Blendwerk (mâyâ) nur.

 

8. Viele lassen die Weltschöpfung

Auf Wunsch Gottes allein entstehn,

Andre glauben, die Zeit habe

Alle Wesen hervorgebracht.

 

9. Zum Genuß sich, zum Spielzeuge

Schuf sie Gott, meinen andere; —

Nein! sie ist Gottes Selbstwesen!

Was kann wünschen, wer alles hat?

 

§ 2.

 

7. Nicht nach innen erkennend und nicht nach außen erkennend, noch nach beiden Seiten erkennend, auch nicht durch und durch aus Erkenntnis bestehend, weder bewußt noch unbewußt,— unsichtbar,unbetastbar, ungreifbar, uncharakterisierbar, undenkbar, unbezeichenbar, nur in der Gewißheit des eignen Selbstes gegründet, die ganze Weltausbreitung auslöschend, beruhigt, selig, zweitlos, — das ist das vierte Viertel, das ist der Âtman, den soll man erkennen.

——————

 

580

Atharvaveda.

10. Allgenugsam zur Austilgung

Aller Schmerzen, unwandelbar,

Als Einheit alles durchdringend

Ist der Gott, der der Verte heißt.

 

11. Wirkung und Ursache-behaftet

Sind der viçva und Taijasa,

Ursachbehaftet ist Prâjña,

Beide gelten vom Vierten nicht.

 

12. Nicht der Wahrheit noch Unwahrheit,

Nicht seiner selbst noch anderer

Ist irgend sich bewußt Prâjña, —

Ewig alles der Vierte schaut.

 

13. Im Nichterkennen der Vielheit

Sind der Prâjña und Vierte gleich;

Doch Prâjña liegt im Keimschlummer,

Der Vierte keinen Schlummer kennt.

 

14. Traum und Schlaf sind der zwei ersten,

Traumloser Schlaf des Prâjña ist,

Weder Träumen noch auch Schlafen

Schreibt zu dem Vierten, wer ihn kennt.

 

15. Der Träumende erkennt irrig,

Gar nicht erkennt der Schlafende;

Beide irren; wo das schwindet,

Da wird der vierte Stand erreicht.

 

16. In anfanglosem Weltblendwerk

Schläft die Seele; wenn sie erwacht,

Dann wacht in ihr das zweitlose Schlaf-

und traumlose Ewige.

 

17. Bestünde die Weltausbreitung,

So müßte sie vergehen erst;

Doch alle Vielheit ist Blendwerk,

Vielheitlos ist die Wirklichkeit.

 

18. Widerlegbar sind Annahmen

Nur, wenn einer sie aufgestellt;

Doch hier sind sie nur Lehrmittel;

Dem, der weiß, ist die Vielheit nichts.

 

581

Mâṇḍûkya-Kârikâ § 3.

§ 3.

8. Dieser Âtman nun ist in bezug auf die Laute [adhyaksharam, analog gebraucht wie adhidaivatam, adhyâtmam] die Silbe Om, nämlich in bezug auf seine Moren; die Moren sind die Viertel [des Âtman], und die Viertel sind die Moren, nämlich der a-Laut, der u-Laut und der m-Laut.

 

9. Der im Stande des Wachens befindliche Vaiçvânara ist der a-Laut, die erste Mora, von dem Erlangen (â-pti) oder von dem Erstersein (â-dimattvam). — Der, fürwahr, erlangt alle Wünsche und wird zum Ersten, der solches weiß!

 

10. Der im Stande des Träumens befindliche Taijasa ist der u-Laut, die zweite Mora, von dem Hochhalten (u-tkarsha) oder von dem Beiderseitssein (ubhayatvam). — Der, fürwahr, hält hoch die Tradition des Wissens [in seiner Familie] und wird von beiden Seiten [Freund und Feind] gleich geachtet, und keiner, der nicht das Brahman kennte, wird in seiner Familie sein, der solches weiß!

 

11. Der im Stande des Tießchlafes befindliche Prâjña ist der m-Laut, die dritte Mora, von dem [durch mi minoti bezeichneten] Aufbauen (miti) oder auch von dem [durch minâti bezeichneten] Vernichtetwerden (apîti). — Der, fürwahr, baut [aus sich] diese ganze Welt auf und ist ihre Vernichtung der solches weiß!

——————

 

19. Sehr gleicht Viçva dem a-Laute

Durch Ähnlichkeit des Erster-seins,

Durch-Moren-Übereinstimmung

Sind auch gleich im Erlangen sie.

 

20. Taijasa gleicht dem u-Laute

In dem Hochhalten offenbar,

Durch Moren-Übereinstimmung

Sind auch gleich sie im Beidessein.

 

21. Sehr gleicht Prâjña dem m-Laute.

Durch des Aufbauens Ähnlichkeit,

Durch Moren-Übereinstimmung

Sind auch gleich im Vernichten sie.

 

 

582

Atharvaveda.

22. Weil er in den drei Zuständen

Klar durchschaut diese Ähnlichkeit,

Darum gebührt dem Hochweisen

Von allen Wesen Ehr' und Preis.

 

23. Der a-Laut führt zum Ziel Viçva,

Der u-Laut führt den Taijasa,

Der m-Laut führt zum Ziel Prâjña, —

Kein Ziel des Moralosen ist.

 

§ 4.

12. Moralos ist. der Vierte, unbetastbare, die ganze Weltausbreitung auslöschende, selige, zweitlose. — In dieser Weise ist die Silbe Om der Âtman (das Selbst).

Der geht mit seinem [individuellen] Selbste in das [höchste] Selbst ein (Vâj. Saṃh. 32,11), wer solches weiß, — wer solches weiß.

 

——————

 

24. Nach Vierteln wisse den 0m-Laut,

Seine Moren die Viertel sind;

Wer nach Vierteln den Om-Laut kennt,

Braucht nichts weiter zu wissen mehr. .

 

25. Im heil'gen Ruf geh' auf denkend,

Er ist Brahman, das furchtlose,

Wer stets im heil'gen Ruf aufgeht,

Der fürchtet sich vor keinem mehr.

 

26. Der heil'ge Ruf ist das nied're,

Er ist das höh're Brahman auch,

,,Ohne Früheres und Spät'res,

Ohne Inn'res und Äußeres" (Bṛih. 2,5,19).

 

27. Denn er ist aller Welt Anfang,

Ist Mitte ihr und Ende auch,

Wer so den heil'gen Ruf weiß, der

Wird alsbald mit ihm eins sodann.

 

28. Den heil'gen Ruf als Gott wisse,

Der im Herzen von allem thront;

 

583

Mâṇḍûkya-Kârikâ 1,28.

Der Weise, der den Orn-Laut kennt

Als allerfüllend, trauert nicht.

 

29. Unendlichteilig und teillos,

Ist er der Zweiheit sel'ge Ruh;

Wer als solchen den Om-Laut kennt,

Ist ein Muni, kein anderer.

 

Zweiter Teil,

genannt Vaitathyam, ,,die Unwahrheit".

1. Alles, was wir im Traum sehen,

Ist unwahr, sagen Weise uns,

Weil alles dies nur inwendig,

Weil es in uns bechlossen liegt;

 

2. Auch weil die Zeit zu kurz wäre

Zum Besuch ferner Gegenden,

Und weil wir ja beim Aufwachen

Nicht sind in jenen Gegenden.

 

3. ,,Da sind nicht Wagen, nicht Straßen,"

Lehrt die Schrift (Bṛih. 4,3,10) und das Denken uns,

So ist des Träumens Unwahrheit

Erwiesen und auch offenbart.

 

4. Weil Vielheit hier nur inwendig,

Ist sie es auch im Wachen nur;

Hier wie dort ist nur Vorstellung,

In uns beschlossen, hier wie dort.¹

 

5. Des Träumens Zustand und Wachens

Als derselbe den Weisen gilt,

Denn gleich ist beiden die Vielheit, —

Aus diesem wohlerwiesnen Grund.

 

6. Was nicht vorher und nicht nachher,

Ist auch nicht in der Zwischenzeit;

Obwohl es unwahr ist, wird es

Für nicht unwahr doch angesehn.

 

——————

¹ Lies: saṃvṛitatve na bhidyate.

 

 

584

Atharvaveda.

7. Des Wachens Tun ist zweckmäßig,

Aber nicht, wenn wir träumen, mehr;

Drum, weil es anfängt und aufhört,

Kann auch es nur auf Trug beruhn.

 

8. Auch was am Träume neu, stammt nur

Aus dem Geld, und wenn Götter ihm

Erscheinen, schaut er sie so nur,

Wie er über sie ward belehrt.

 

9. Was er träumend im Geist bildet

Innerlich, das ist unreal,

Wiewohl sein Geist es griff draußen,

Als gesehn unwahr beides ist.

 

10. Was er wachend im Geist bildet

Innerlich, das ist unreal,

Wiewohl sein Geist es griff draußen,

Folgerecht unwahr beides ist.

 

11. Wenn nun beiderlei Vielheiten

Unwahr im Traum und Wachen sind,

Wer erkemt beide Vielheiten,

Wer stellt sie im Bewußtsein vor?

 

12. Durch Selbsttäuschung der Gott Âtman

Stellt sein Selbst durch sich selber vor,

Erkennend beide Vielheiten, —

Feststeht dieser Vedântasatz.

 

13. Umwandelnd stellt er als andres

Vor, was nur im Bewußtsein ist,

Als draußen und als notwendig

Stellt in sich es der Âtman vor.

 

14. Geist ist des Innern Zeitmesser,

Die Vielheit der des Äußeren,

Ihr Unterschied liegt nur hierin,

Als Vorstellung sind beide gleich.

 

15. Undeutlich ist die Welt drinnen

Deutlich die Welt, die draußen liegt;

Dem Sinnorgan nach verschieden,

Sind sie Vorstellung beide gleich.

 

585

Mâṇḍûkya-Kârikâ 2,16.

16. Die Seele stellt man vor erstlich,

Sodann der Dinge Sonderheit,

Der äußeren und der drinnen,

Wie man weiß, so erinnert man.

 

17. Wie ein Strick, nicht erkannt deutlich

Im Dunkeln, falsch wird vorgestellt

Als Schlange, als ein Strich Wassers,

So wird falsch vorgestellt das Selbst (âtman).

 

18. Wie, wenn der Strick erkannt deutlich, .

Und die falsche Vorstellung weicht,

Er nur Strick bleibt unzweiheitlich,

So, wenn deutlich erkannt, das Selbst.

 

19. Wenn er sah Prâṇa's, als alle

Die vielen Dinge uns erscheint,

So ist das alles nur Blendwerk (mâyâ),

Mit dem der Gott sich selbst betrügt.

 

20. Prâṇa-Kennern ist er Prâṇa's (Vaiçeshika's),

Elemente dem, der sie kennt (Lokâyatika's),

' Gujµ-Wissern ist er Guna's (Sâñkhya's),

Tattva's ist' er dem, der sie kennt (Çaiva's).

 

21. Viertelwissern ist er Viertel (Mâṇḍûkya-Up.),

Sinnlichkeitswissern Sinnlichkeit (Vâtsyâyana),

Den Weltraumwissern Welträume (Paurâṇika's),

Götter den Götterkundigen (Veda-Anhängern).

 

22. Den Vedawissern ist Veda’s,

Den Opferwissern Opfer er,

Genießer denen, die diesen,

Genußobjekt, die dies verdehn.

 

23. Subtil für solche, die dieses,

Grob für solche, die dies verstehn,

Gestaltet denen, die dieses,

Ungestaltet, die dies verstehn.

 

24. Zeit ist er für die Zeitwisser,

Für Raumkenner ist er der Raum,

Künste ist er für Kunstkenner,

Weltschichten dem, der diese kennt.

 

 

586

Atharvaveda.

25. Für Manas-Kenner ist Manas,

Für Buddhi-Kenner Buddhi er,

Geist ist er für die Geistwisser,

Recht und Unrecht dem, der sie kennt.

 

26. Fünfundzwanzigfach fiir diese (Sâñkhya's),

Jenen als secbsundzwanzigster (Pâtañjala's),

Einunddreißigfach für andre (Pâçupata's),

Unendlich gilt für viele er (vgl. Cûlikâ 14).

 

27. Welten ist er dem Weltkenner,

Lebensstadien, dem der sie kennt,

Drei-Genushaft den Sprachlehrern,

lindern nied'res und höheres (sc. Brahman).

 

28. Für Schöpfungswisser Weltschöpfung,

Für Vergangwisser Weltvergang,

Weltbestand für Bestandwisser, —

So ist alles er allerwärts.

 

29. Welches Sein man so andichtet

Dem Âtman, dafür hält er sich,

Das hegt er und, zu ihm werdend,

Gibt er ihm sich als Dämon hin.

 

30. Er Selbst kennt alle Seinsformen,

Von denen er verschieden scheint, —

Wer dies weiß, wird sich vorstellen

Ohne Scheu, wie es wirklich ist.

 

31. Wie Traum und Blendwerk man ansieht,

Wie eine Wüstenspieglung,

So sieht an dieses Weltganze,

Wer des Vedânta kundig ist.

 

32. Kein Vergang ist und kein Werden,

Kein Gebundner, kein Wirkender,

Kein Erlösungsbedürftiger,

Kein Erlöster, der Wahrheit nach.

 

33. Als unreale Seinsformen

Und als Einer wird er gedacht,

Doch wer sie denkt, ist stets Einer,

Drum die Einheit den Sieg behält.

 

587

Mâṇḍûkya-Kârikâ 2,34.

34. Nicht auf den Âtman stützt Vielheit

Und auch nie auf sich selber sich,

Nicht neben ihm und nicht durch ihn

Kann bestehn sie, das ist gewiß.

 

35. Furcht, Zorn und Neigung ablegend,

Schaut zweiheitlos und wandellos

Der Weltausbreitung Aufhören

Der Muni, der den Veda kennt.

 

36. Wer so erkannt der Welt Wesen,

Der halte an der Einheit treu;

Der Zweiheitlosigkeit sicher,

Geht er kalt an der Welt vorbei.

 

37. Von Preisen frei und Lobsingen,

Ja, auch ohne den Manenkult,

In allem, was da lebt, heimisch,

Lebt er so ,,wie es eben kommt" (Bṛih. 3,5).

 

38. Das Wesen in sich selbst sehend,

Das Wesen in der Außenwelt,

Zu ihm werdend, in ihm ruhend,

Hält er treu an dem Wesen fest.

 

 

Dritter Teil,

genannt Advaitam, »die Zweiheitlosigkeit'.

1. Verehrung das Gebot fordert

Des Brahman als Gewordenen,

Eh' es ward, war es noch nicht da,

Drum armselig Verehrer sind.

 

2. Was nicht armselig, hört jetzo,

Ungeboren, gleich allerwärts,

Und warum nichts entsteht irgend,

Obwohl entstehend überall.

 

3. Der Âtman gleicht dem Weltraume,

Der Jîva gleicht dem Raum im Topf,

Die Töpfe sind die Leibstoffe,

Was ,,entstehn" heißt, dies Gleichnis zeigt.

 

 

588

Atharvaveda.

4. Wenn die Töpfe zugrund gehen,

Was wird dann aus dem Raum im Topf?

Er zergeht in dem Weltraume, —-

So der Jîva im Âtman auch.

 

5. Wie, wenn in einem Topfraume

Staub sich vorfindet oder Rauch,

Nicht alle Räume dies teilen,

So die Jîva's nicht Lust und Leid.

 

6. Ja, Formen, Wirkungen, Namen

Sind verschieden nach ihrem Ort,

Doch der Raum, den sie einnehmen,

Ist sich gleich, — so die Jiva's auch.

 

7. Wie der Topfraum vom Weltraume

Kein Produkt ist und auch kein Glied,

So ist der Jîva vom Âtman

Kein Produkt, auch kein Glied von ihm.

 

8. So wie der Himmelsraum Kindern

[Obwohl farblos,] als blau erscheint,

So scheint behaftet mit Flecken

Unerfahrnen der Âtman auch.

 

9. Was Sterben und Entstehn angeht,

Fortgehn und Wiederherkommen

Und alle Körper Durchsetzen, —

Ist dem Raume vergleichbar er.

 

10. Doch traumgleich alle Leibstofie

Als Trug der Âtman breitet aus;

Weder als gleich, noch als ungleich

An Rang lassen sie denken sich.

 

11. Als Seele (jîva) in den fünf Hüllen,

So lehrt das Taittirîyakam (Taitt. Up. 2),

Der höchste Âtman versteckt ist,

Er, den dem Raum verglichen wir.

 

12. Im Honigteile (Bṛih. 2,5) wird paarweis

Das höchste Brahman aufgezeigt, —

Wie in der Erd' und im Leibe, —

Er, den dem Raum verglichen wir.

 

589

Mâṇḍûkya-Kârikâ 3,13.

13. Wenn die Schrift Jîva und Âtman

Durch Gleichsetzung für eins erklärt,

Verwerfend alles Vielheitein,

So ist das wahr in vollem Sinn.

 

14. Doch wenn auch vor der Weltschöpfung

Sie beide auseinander hält (Chând. 6,3,2),

So gilt das bildlich, nicht wörtlich,

Und nur von dem, was werden soll.

 

15. Und wenn sie überhaupt Schöpfung

Im Bild von Ton, Erz, Funken lehrt (Chând. 6,1,3.

Bṛih. 2,1,20),

So dient dies nur als Lehrmittel (vgl. 1,18),

Denn ,,nicht ist Vielheit irgendwie" (vgl. Bṛih. 4,4,19).

 

16. Schüler gibt es in drei Stufen,

Schwache , mittlere, treffliche ;

Um ihrer willen, aus Mitleid

Verehrungsobjekt Brahman wird.

 

17. Auf ihrer Sätze Standpunkt stehn

Zuversichtlich die Zweiheitler,

Doch widersprechen sie selbst sich,

Bei uns fehlt dieser Widerspruch.

 

18. In Wahrheit ist die Unzweiheit,

Zweiheit nur in der Spaltungswelt;

Sie lehren beiderseits Zweiheit,

Bei uns fehlt solcher Widerspruch.

 

19. Als Blendwerk nur besteht Spaltung

Jenes Einzigen, Ewigen,

Denn wäre Spaltung in Wahrheit,

Sterblich würde, was ewig ist.

 

20. Vom ungewordnen Sein nehmen

Jene Lehrer ein Werden an, —

Was ungeboren, unsterblich,

Wie könnte sterblich werden das!

 

21. Was unsterblich, kann nicht sterblich,

Was sterblich, nicht unsterblich sein,

Kein Ding kann anders sein jemals,

Als es seiner Natur nach ist.

 

 

 

590

Atharvaveda.

22. Wenn ein unsterbliches Dasein

Überginge in Sterblichsein,

Nur scheinbar wär' es unsterblich,

Wo bliebe seine Ewigkeit?

 

23. Von Wahrheit oder Schein redend,

Stets von der Schöpfung Gleiches lehrt

Die Schrift, sicher und grundhabend,

Ist's, wie sie sagt, und anders nicht.

 

24. ,,Nicht ist hier Vielheit" so heilßt es (Bṛih. 4,4,19),

,,Durch Blendwerk vielfach Indra geht" (Bṛih. 2,5,19),

,,Als ungeboren wird vielfach" (Vâj. Saṃh. 31,19)

Durch Blendwerk nur geboren er.

 

25. Durch Bestreituog der Sambhüti (Îçâ 12)

Wird ein Entstehen abgewehrt;

,,Wer könnte ihn hervorbringen?"

Dies Wort (Bṛih. 3,9,28) zeigt ihn als ursachlos.

 

26. Das Wort: ,,er ist nicht so, nicht so" (Bṛih. 4,2,4.),

Absprechend alles Sagbare,

Kann, wie die Unerkennbarkeit

Zeigt, auf Ihn sich beziehen nur.

 

27. Das Seiende kann nicht werden,

Es wäre denn durch Blendverk nur;

Wer es in Wahrheit läßt werden,

Läßt werden, was schon war vorher.

28. Nicht in Wahrheit, noch als Blendwerk

Kann je entstehn Nichtseiendes;

Ein Sohn der Unfruchtbaren wird

Nicht in Wirklichkeit, noch im Schein.

 

29. Wie im Traume der Geist regt sich,

Als viel scheinend durch Täuschung nur,

So im Wachen der Geist regt sich,

Als viel scheinend durch Täuschung nur.

 

30. Ab viel erscheint, der nur eins ist,

Im Traum der Geist, — das ist ja klar;

Als viel erscheint, der nur eins ist,

Der wache Geist, — auch das ist klar.

 

591

Mâṇḍûkya-Kârikâ 3,31.

31. Alles wird nur im Geist sichtbar,

Was als Vielheit hier geht und steht;

Und wenn der Geist von sich selbst kommt,

Ist die Vielheit nicht sichtbar mehr.

 

32. Sobald der Geist nicht mehr vorstellt,

Weil ihm aufging das Âtman-sein,

Nimmt, als Nichtgeist, er nicht wahr mehr,

Weil nichts mehr wahrzunehmen bleibt.

 

33. Als ewig wandellos Wissen,

Vom Gewußten verschieden nicht,

Das Brahman wird gewußt allzeit,

Vom Ew'gen Ew'ges wird gewußt.

 

34. Dieser Vorgang besteht darin,

Daß zwangweis alle Regungen

Des Geistes unterdrückt werden, —

Anders ist es im tiefen Schlaf

 

35. Der Geist erlischt im Tießchlafe,

Nicht erlischt er, wenn unterdrückt,

Sondern Brahman, das furchtlose,

Wird er, ganz nur Erkenntnislicht,

 

36. Das ew'ge, schlaf- und traumlose,

Das ohne Namen und Gestalt,

,,Mit eins aufleuchtend" (Chând. 8,4,1), allwissend, —

Ihm gilt keine Verehrung mehr.

 

37. Von ihm weicht alle Wehklage,

In ihm ist keine Sorge mehr,

Ganz befriedigt, mit eins Licht, ist

Festes, furchtloses Sinnen es.

 

38. Kein Nehmen ist da, kein Geben,

Wo keine Sorge mehr besteht,

Dann ist nur in sich selbst ruhend

Das ew'ge Wissen, selbst sich gleich.

 

39. Das heißt der Ungefühl-Yoga,

Schwer zu schauen dem Yogin selbst,

Da auch selbst Yogin's ihn scheuen,

Vor dem Furchtlosen fürchtend sich.

 

592

Atharvaveda.

40. Der Geist muß unterdrückt werden,

Damit zuteil dem Yogin wird

Das Furchtlose, das Schmerzlose,

Die Erweckung, die ew'ge Ruh.

 

41. Wie wenn zerfließt im Weltmeere¹

Der Tropfen, der am Grashalm hing,

So des Geistes Unterdrückung

Erfolgt ohne Beschwerlichkeit.

 

42. Man unterdrücke methodisch

Den Geist, den Wunsch und Lust zerstreut,

Ganz ruhig wird er dann schwinden,

Sein Schwinden ist wie Liebeslust.

 

43. Man welß, daß alles voll Schmerzen,

Und wendet sich von Wunsch und Lust;

Man welß, daß alles nur Brahman,

Und sieht nicht das Gewordne mehr.

 

44. Weckt den Geist, will er nichts werden (einschlafen),

Sammelt ihn, will er sich zerstreun;

Beides wisse man als sündhaft;

Ward er brahmangleich, stört ihn nicht!

 

45. Freilich schmeckt er dann nicht Lust mehr,

Keiner Begierde sich bewußt:

Sein Denken, ungestört wirkend,

Strebe eifrig zur Einheit hin.

 

46. Wenn dann weder im Schlaf schwindet

Der Geist, noch auch Zerstreuung sucht,

Dann tritt hervor er als Brahman,

Regungslos und vom Scheine frei.

 

47. Als frei, beruhigt und leidlos,

Als unaussprechlich höchste Lust,

Als ewig, ewigen Objekts

Allbewußt, schildern Kenner es.

 

——————

¹ Vielleicht ist udadhau zu lesen. Zur Auffasstmg des Scholiasten kann ich mich nicht entschließen.

 

593

Mâṇḍûkya-Kârikâ 3,48.

 

48. Keine Seele entsteht jemals,

Kein Entstehn ist der ganzen Welt,

Das ist die höchste Heilswahrheit,

Daß es nirgend ein Werden gibt!

 

 

Vierter Teil,

genannt Alâtaçânti, ,,die Beilegung des Feuerbrandes¹".

1. Der wie Wolken im Weltraume

Die Vielheiten im Einen welß,

Das Subjekt und zugleich Objekt

Ist, — ihn ehr' ich, den Purusha!

 

2. Den wir als Ungefühl-Yoga,

Allem Seienden freund und gut,

Widerspruchlos, unanfechtbar,

Aufgezeigt (3,39), — ihm Verehrung sei!

 

3. ,,Ein Werden ist nur des, was ist",

So sagen manche Denker uns; —

,,Nein! des, was nicht ist", so andre,

Gegenseitig in Widerspruch.

 

4. ,,Was ist, das kann doch nicht werden!" —

,,Was nicht ist, kann auch werden nicht!" —

So streitend, für das Nichtwerden,

Gleich Nichtzweiheitlern, zeugen sie.

 

5. Uns freut, wenn sie dadurch zeigen,

Daß ein Werden unmöglich ist; —

Daß wir uns nicht, wie sie alle,

Widersprechen, das höret jetzt.

 

6. Des Ungewordenen Werden

Nehmen jene Behaupter an,

Doch, was nicht ward, was unsterblich,

Wie könnte sterblich werden das?

 

——————

¹) D. h. wohl: ,,die Widerlegung des (scheinbaren, durch Umschwingung des Feuerbrandes entstehenden) Funkenkreises".

 

DEUSSEN, Upanishad's.

 

 

594

Atharvaveda.

7. Was unsterblich, kann nicht sterblich,

Was sterblich, nicht unsterblich sein,

Kein Ding kann anders sein jemals,

Als es seiner Natur nach ist (= 3,21).

 

8. Wenn ein unsterbliches Wesen

Überginge in Sterblichsein,

Nur scheinbar wär' es unsterblich,

Wo bliebe seine Ewigkeit (= 3,22) ?

 

9. Wesenseigen , bestandbildend,

Angeboren und ungemacht,

Das eigne Sein nie aufgebend, —

So ist, was ,,die Natur" (prakṛiti) man nennt.

 

10. Ungeboren und unsterbend

Sind Selbstheiten (dharma) dem Wesen nach;

Der ist der Selbstheit unkundig,

Der sie entstehn und sterben läßt.

 

11. Für wen die Ursach wird Wirkung,

Der läßt werden die Ursache, —

Wie kann, was ewig ist, werden?

Wie, was eigen ist, trennen sich?

 

12. Wird die Ursache selbst Wirkung,

Dann ist ewig die Wirkung schon,

Und doch wird sie! und ihr Werden

Läßt die Ursach verloren gehn!

 

13. Nein! Wer das Ew'ge läßt werden,

Dem steht keine Erfahrung bei;

Und wer Gewordnes läßt werden,

Verfällt in ewigen Regreß!

 

14. Wenn ein Erfolg des Grunds Ursprung,

Und der Grund Ursprung des Erfolgs,

Dann wären anfanglos beide,

Grund und Erfolg, wie kann das sein?

 

15. Wenn ein Erfolg des Grunds Ursprung,

Und der Grund Ursprung des Erfolgs,

Dann ist wohl das Entstehn beider,

Wie wenn der Sohn den Vater zeugt?

 

 

 

595

Mâṇḍûkya-Kârikâ 4,16.

16. Grund und Erfolg, wenn entstanden,

Erheischen Reihenfolge doch;

Denn entstehen sie gleichzeitig,

Wie zwei Hörner, so fehlt das Band.

 

17. Daß aus Erfolgen entspränge

Der Grund selbst, ist beweisbar nicht,

Und ist der Grund unbeweisbar,

Wie kann er wirken den Erfolg?

 

18. Wenn aus Erfolg der Grund folgte

Und aus dem Grunde der Erfolg,

Welcher von beiden ist früher,

Und sein Folgen nur relativ?

 

19. So legt Unmöglichkeit (4,14), Unsinn (4,15)

Und Verwirrung der Zeitordnung (4,16— 18),

In die die Gegner stets fallen,

Für das Nichtwerden Zeugnis ab.

 

20. Der Fall von Samen und Pflanze

Ist nur scheinbar beweisend hier¹;

Was aber nur beweist scheinbar,

Ist zum Beweisen tauglich nicht.

 

21. Der Widersinn der Zeitfolge (4,15)

Bestätigt das Nichtwerden nur;

Da Werdendes zurückweisen

Sicher würde auf Früheres.

 

22. Nicht aus sich selbst, noch aus anderm

Kann ein Wesen entstehen je;

Nicht als seiend, noch nichtseiend,

Noch als beides, kann es entstehn.

 

——————

¹ Das Verhältnis zwischen Same und Pflanze muß entweder einen Anfang haben oder anfanglos sein; beides aber ist unmöglich. Es hat keinen Anfang: denn jede Pflanze setzt immer schon den Samen, jeder Same wiederum die Pflanze voraus. Es kann auch nicht anfanglos sein: denn jede Pflanze, jeder Same ist in der Zeit entstanden, hat also einen Anfang. Oder sollen alle Glieder zeitlich, und nur ihr Verhältnis anfanglos sein?

Auch das ist unmöglich; na hi vîja-añkura-vyatirekeņa vîja-añkura-saṃtatir nâma ekâ abhyupagamyate; denn das Verhältnis ist nur das Band zwischen den Gliedern, setzt also diese schon voraus und ist ohne dieselben nichts (nach Çañkara).

 

596

Atharvaveda.

23. Grund und Erfolg, wenn anfanglos,

 

Schließen das Werden von sich aus;

 

Wofür es gibt keinen Anfang,


Dafür gibt keinen Anfang es.

 

 

24. Wahrnehmung müsse Grund haben,


Weil unmöglich ihr Wechseln sonst,

Auch sei von uns unabhängig

 

Schmerz und Wahrnehmung, — meinen sie.

 

 

25. Wahrnehmung müsse Grund haben,


So beweisen sie künstlich uns,
—

 

Doch daß der Grund keinen Grund hat,

 

Das lehrt Wesensbetrachtung uns.

 

 

26. Der Geist berührt nicht Objekte


Und auch nicht der Objekte Schein;

 

Wenn unreal die Objekte,


Ist's auch, vom Geist getrennt, ihr Schein.

 

 

27. Auch nicht, in den drei Zeitläuften,

 

Berührt je ein Objekt den Geist;

 

Grundloser Schein noch viel wen'ger;

 

Wie könnte werden der zum Grund!

 

 

28. Darum ist nirgend ein Werden,


Im Subjekt nicht, im Objekt nicht;

 

Wer eins von beiden läßt. werden,


Der wandelt in den Wolken nur.

 

 

29. Weil sonst das Ewige würde,


Ist unwerdend die Wesenheit;

 

Kein Ding kann anders sein jemals,

 

Als es seiner Natur nach ist (= 3,21. 4,7)

 

 

30). Wär' anfanglos der Samsâra,


So könnte er nicht endlich sein;

 

Wär' die Erlösung einfangend,

 

Sie könnte nicht unendlich sein.

 

 

31. Was nicht vorher und nicht nachher,


Ist auch nicht in der Zwischenzeit;

 

Obwohl es unwahr ist , wird es

 

Für nicht unwahr doch angesehn (= 2,6).

 

 

597

Mâṇḍûkya-Kârikâ 4,32.

32. Des Wachens Tun ist zweckmäßig,


Aber nicht, wenn wir träumen, mehr;

 

Drum, weil es anfängt und aufhört,

 

Kann auch es nur auf Trug beruhn (= 2,7).

 

 

33. Was im Träume wir wahrnehmen,


Ist irrig, weil im Körper nur;

 

Wie ließen Dinge sich schauen


In diesem eingeschlossnen Raum ?

 

 

34. Auch ist die Zeit nicht hinreichend,

 

Hinzugehen, um sie zu sehn;

 

Auch finden wir beim Aufwachen

Und nicht da, wo wir sie gesehn (vgl. 2,2).

 

 

35. Und was mit ändern man absprach,

 

Besteht nicht mehr, wenn man erwacht;

 

Und was im Traume man faßte,

Hält man, erwacht, in Händen nicht.

 

 

36. Auch was wir von dem Leib träumen,


Ist unwahr und nicht wie es ist;,
—

 

Unwahr wie dieses, ist alles,


Was der Geist. nimmt im Wachen wahr.

 

 

37. Was wir, wie wachend, wahrnehmen


Im Traum, hat seinen Grund in uns;

 

So hat in uns seinen Grund auch,


Was wir im Wachen nehmen wahr.

 

 

 

38. Unbegreiflich ist Entstehung;

 

Alles als ewig lehrt die Schrift;

 

Nimmermehr kann hervorgehen


Aus Seiendem Nichtseiendes (Werdendes).

 

 

39. Nichtseiendes sehn wir wachend;

 

Das Traumbild ist aus gleichem Stoff.

 

Nichtseiendes sehn wir träumend;

 

Wenn wir erwachen, ist es nichts.

 

 

40. Nichtsein gebiert doch nicht Nichtsein,

 

Nichtsein gebiert auch nicht das Sein:

 

Und auch das Sein gebiert Sein nicht;

 

Sein kann Nichtsein gebären nicht.

 

 

598

Atharvaveda.

41. Wie man im Wachen als Irrtum

 

Unmögliches als seiend fasst,


So auch im Traume aus Irrtum


Sieht man Wesen erscheinen sich.

 

 

42. Aus Wahrnehmung und Herkommen

 

Halten am Realismus sie;

 

Was sie kennen ist nur Werden,

 

Zurückschreckend von dem, was ist.

 

43. Manche¹ vom Sein zurückschreckend,

 

Wenn auch nicht bloße Wahrnehmer,

 

Des Werdens Mängel nicht meiden;

 

Mängel bleiben es, wenn auch klein.

 

44. Durch Wahrnehmung, durch Herkommen

 

Heißt auch ein Blendwerk Elefant;

 

Durch Wahrnehmung, durch Herkommen

 

Heißt auch das Ding ein seiendes.

 

45. Werden ist Schein, Bewegung Schein,

 

Das Dingliche ist bloßer Schein;

 

Nichtwerdend, unbewegt, dinglos,


Still, zweiheitlos die Wahrheit ist.

 

46. So ist kein Werden im Subjekt,


Im Objekte kein Werden ist;

 

Wer dieses hat erkannt einmal,


Fällt nicht zurück ins Gegenteil.

 

47. Wie Funkenschwingung den Schein gibt

 

Grader und krummer Linien,


So den Schein Bewußtseinsschwingung

 

Von Auffassen und Aufasser.

 

48. Wie ungeschwungen der Funke


Nicht erscheint, nicht entsteht (als Kreis),

 

So Bewußtsein ungeschwungen

 

Erscheint nicht und entsteht auch nicht.

 

——————

1 Die Anhänger des (religiösen) Herkommens (samâcâra), welche das Seiende in der Form des Werdens, die Wahrheit im Gewande des Mythos besitzen. — Bemerkenswert ist die Zurückhaltung, mit der sie hier getadelt

werden.

 

 

599

Mâṇḍûkya-Kârikâ 4,49.

49. Schwingt der Funke, so kommt der Schein

 

Nicht von anßen her irgendwie,


Nicht von anderm als dem Schwingen,

 

Nicht ist Zuwachs dem Funken er.

 

 

50. Auch nicht entflieht er dem Funken,

Weil er nicht hat ein Wirklichsein,

 

Ebenso ist's beim Erkennen,


Denn auch dieses ist bloßer Schein.

 

 

51. Schwingt Erkenntnis, so kommt der Schein

 

Nicht von außen her irgendwie,


Nicht von anderm als dem Schwingen,

 

Nicht ist Bewußtseinszuwachs er.

 

 

52. Nicht entflieht er dem Bewußtsein,


Weil er nicht hat ein Wirklichsein;

 

Weil Verursachtsein unwirklich,

 

Ist als wirklich undenkbar er.

 

 

53. Ein Ding, so meint man, sei Ursach

 

Des Daseins für ein andres Ding,

 

Doch für die Wesenheit gibt es


Kein Dingsein und kein Anderssein.

 

 

54. Weder aus Geist entspringt Dasein,

 

Noch aus Dasein entspringt der Geist;

 

Drum nehmen Weise kein Werden

 

Des Grunds oder Erfolges an.

 

 

55. Wer noch Grund und Erfolg annimmt,

 

Dem entstehn aus einander sie;

 

Wer frei von dieser Annahme,

Für den entstehen sie nicht mehr.

 

 

56. Wer noch Grund und Erfolg annimmt,

 

Für den streckt der Saṃsâra sich;

Wer frei von dieder Annahme,


Der ist auch vom Saṃsâra frei.

 

 

57. Wer geistumnachtet, sieht werdend

 

Alles, ein Ew'ges kennt er nicht;

 

In Wahrheit alles ist ewig,

 

Vernichtetwerden gibt es nicht.

 

 

 

600

Atharvaveda.

 

58. Die Wesenheiten, die werden,


Die werden nicht in Wirklichkeit;

 

Ihr Entstehen ist nur Blendwerk,

 

Und Blendwerk ist nicht Wirklichkeit.

 

 

59. Wie, wo der Same nur Blendwerk,

 

Auch die Pflanze ein solches ist,

 

Nicht wesenhaft noch austilgbar,

So steht’s mit allen Dingen hier.

 

 

60. Da alle Dinge nicht wirklich,

Gibt nicht Dauer es noch Vergang;

 

Wo alle Farben wegfallen,

Ist keine Unterscheidbarkeit.

 

 

61. Wie in des Traumes Scheinvielheit

 

Der Geist irrtümlich ist verstrickt,

 

So in des Wachens Scheinvielheit


Ist irrtümlich der Geist verstrickt.

 

 

62. Wie träumend eine Schein-Vielheit

 

Erblickt der vielheitlose Geist,

 

So wachend eine Schein-Vielheit

 

Erblickt der vielheitlose Geist.

 

 

63. Was man, im Traum umherschweifend

 

In allen Himmelsgegenden,

An Tieren, Vögeln, Insekten

Nur immer wahrzunehmen meint,

 

 

64. Das besteht nirgendwo anders

Als im Geiste des Träumenden;

 

Drum alles, was er dann sieht, ist

 

Nur Bewußtsein des Träumenden.

 

 

65. Was man, wachend umherschweifend

 

In allen Himmelsgegenden,

 

An Tieren, Vögeln, Insekten

Nur immer wahrzunehmen meint,

 

 

66. Das besteht nirgendwo anders


Als im Geiste des Wachenden;

 

Drum alles, was er dann sieht, ist

 

Nur Bewußtsein des Wachenden.

 

 

601

Mâṇḍûkya-Kârikâ 4,67.

 

67. Das Ding und seine Vorstellung

 

Bedingen gegenseitig sich;

 

Bestandlos ist für sich jedes,


Nur im Bewußtsein stehn sie da.

 

 

68. Wie wir von einem bloß träumen,

 

Daß er geboren wird und stirbt,


So sind all diese Weltwesen


Wirklich und doch auch wirklich nicht.

 

 

69. Wie wir im Wahngebild schauen,

 

Daß einer lebt und wieder stirbt,

So sind all diese Weltwesen

Wirklich und doch auch wirklich nicht.

 

 

70. Wie Zauberkunst uns läßt schauen,

Daß einer lebt und wieder stirbt,


So sind all diese Weltwesen

Wirklich und doch auch wirklich nicht.

 

 

71. Keine Seele entsteht jemals,


Kein Entstehn ist der ganzen Welt;

 

Das ist die höchste Heilswahrheit,


Daß es nirgend ein Werden gibt (= 3,48).

 

 

72. Was zweifach als Subjekt-Objekt

Scheint, ist Bewußtseinsschwingung nur (4,47);

 

Der Geist ist ewig objektlos,


,,An ihm haftet nichts", lehrt die Schrift (Bṛih. 4,3,15).

 

 

73. Wie es künstlich durch Annahme (3,15),

So ist es nicht in Wirklichkeit;

 

Was andre Schulen aunehmen,

Ist für sie, nicht in Wirklichkeit.

 

 

74, Was als ewig sie annehmen

 

Künstlich, ist wirklich ewig nicht;


Das Resultat andrer Schulen


Zeigt als Irrtum und werdend es.

 

 

75. An das, was nicht ist, Anpassung

 

Beweist nicht, daß es Zweiheit gibt;

 

Ist ihr Nichtsein erkannt, dann fällt

 

Die Anpassung als zwecklos weg.

 

 

 

 

 

602

Atharvaveda.

76. Wenn man nicht annimmt Ursachen

 

In allen Reichen der Natur,

So auch nicht ihre Vorstellung;

 

Mit der Ursach' die Wirkung fällt.

 

 

77. Geist ist grundlos; das Nichtwerden,

 

Zweiheitlos, ist ihm eigen stets;

 

Geisterscheinung nur ist Zweiheit

 

Des Ewigen, das alles ist.

 

 

78. Grundlosigkeit als wahr wissend,


Verwerfend Einzel-Ursachen,


Gelangt man zu dem furchtlosen,


Wunschlosen, kummerlosen Ort.

 

 

79. Sich anpassend dem, was nicht ist,


Bleibt in solches vertrickt der Geist;

 

Der Dinge Nichts erkannt habend,

Kehrt er zum Anhaftlosen (4,72) sich.

 

 

80. Wer dies ergreift und nicht läßt mehr,

Des Stand bleibt unbeweglich dann;

 

Der Weisen Ziel ist dies ew'ge

Zweiheitlose Identischsein.

 

 

81. Das schlummerlose, traumlose

Ew'ge ist dann sich selber Licht (Bṛih. 4,3,14. Kâṭh. 5,15):

 

,,Für immer licht" (Chând. 8,4,1) ist dies Wesen,


Ist diese Wesenheit an sich.

 

 

82. Gar leicht verbirgt er uns immer,

Gar schwer enthüllt sein Wesen er,

Solang wir einzeln auffassen

Die Dinge, — er, der heilige.

 

 

83. ,,Er ist!" ,,Ist nicht!" ,,Ist und ist nicht!"

 

,,Er ist nicht nicht!" so denkend ihn

Unstät, stät¹ zwiefach, neinsagend,


Verbirgt sein Wesen sich der Tor.

 

 

84. Durch dieser vier Gesichtspunkte

Verfolgung bleibt verborgen stets

 

——————

¹ Man erwartet: ,,stät (er ist), unstät (ist nicht)".

 

 

603

Mâṇḍûkya-Kârikâ 4,84.

 

Der Heil'ge, unberührt durch sie, —

 

Doch allschauend ist, wer ihn schaut.

 

 

85. Wer voll besitzt die Allschauung,

Den zweiheitlosen Brahman-Ort,

An dem nicht Anfang, Mitt', Ende,

Dem bleibt nichts zu erstreben mehr.

 

86. Das heißt echte Gemütsruhe,

Das ist die wahre Priesterzucht,

Das ist der Selbstnatur Zähmung,

Wer sie kennt, geht zur Ruhe ein.

 

87. Wahrnehmunghaft und objekthaft


Ist die zweithafte Weltlichkeit (Wachen);

 

Wahrnehmunghaft und objektlos

 

Ist geläuterte Weltlichkeit (Traum).

 

88. Wahrnehmunglos und objektlos,


Das heißt die Überweltlichkeit;

 

Ihr Subjekt ist zugleich Objekt,


So lehrten Weise aller Zeit.

 

89. Subjekt und die drei Objekte (4,87—88)

 

Stufenweis als in sich erkannt, —

 

Daraus entsteht die Allschauung,

 

Allerwärts des Hochsinnigen.

 

 

90. Erst frage man: was soll werden

 

Geflohn, erkannt, erlangt und reif?

 

Für’s Erkennen gilt Wahrnehmung,


Und so auch für die andern drei.

 

91. Alle Wesen sind ursprünglich

Unbegrenzt und dem Raume gleich (3,3 fg.),

 

Und nicht ist irgendwo Vielheit

Unter ihnen, in keinem Sinn.

 

92. Alle Wesen sind ursprünglich

Urerweckte (âdibuddha), das ist gewiß; —

 

Wer dieses sich genug sein läßt,

Der ist reif zur Unsterblichkeit.

 

93. Sie alle sind auch ursprünglich

 

Urberuhigt, voll Seligkeit;

 

604

Atharvaveda.

 

Sich gleich alle und unteilbar,


Ew'ge, reine Identität.

 

 

94. Doch diese Reinheit ist nicht mehr,

 

Wenn sie vielfach zersplittern sich;

 

Vielheitversunken, zwiespältig

 

Heißen darum armselig (3,1) sie.

 

 

 

95. Doch wem hier zur Gewißheit ward

 

Die ewige Identität,

 

Der welß in dieser Welt Großes,


Die Welt aber versteht es nicht.

 

 

96. Wissen des Ew'gen ist ewig

Auch, mit nichts sonst befassend sich;

 

Als nichtbefassend sich, heißt dies

 

Wissen das unanhaftende (4,72. 79).

 

 

97. Doch wo die kleinste Ungleichheit

 

Für wahr hält der unweise Geist,

 

Da ist weder Nichtanhaftung


Noch Weichen der Verdunkelung.

 

 

98. Alle Seelen sind ursprünglich


Frei vom Dunkel und fleckenlos,

 

Urerweckt schon und urerlöst

 

Erwachen sie, der Meister spricht.

 

 

99. Wie die Sonne durch sich leuchtet,

 

So Wissen ohne Dinge auch;

 

Alle Dinge sind nur 'Wissen, —

 

Unsagbar dem Erweckten selbst.

 

 

100. Die dunkle, überaus tiefe,


Ew'ge, reine Identität,

 

Der Einheit Stätte nach Kräften


Erkannt habend, verehren wir!

 

——————

 

 

 

605

Garbha-Upanishad.¹

...

<<

Deussen, Prof. Dr. Paul, "Sechzig Upanishad's des Veda - aus dem Sanskrit übersetzt und mit Einleitungen und Anmerkungen versehen von Dr. Paul Deussen, Professor an der Universität Kiel", zweite Auflage, Leipzig, F.A. Brockhaus, 1905


Professor Dr. Paul Deussen's Übersetzung von Gaudapada's Kommentar zur Mâṇḍûkya-Upanishade:

 


© Franz Rickinger

Gaudapada's Kommentar zur Mandukya-Upanishade

in der Übersetzung von Prof. Dr. Deussen.

 

(muß noch überrbeitet werden - enthält noch Formatierungsmängel und uU Tippfehler)


>>

1. Allwärts, außenbewußt Viçva,
Innenbewußt ist Taijasa,
Ganz nur Bewußtsein ist Prâjña,
Einer ist's, der für dreie gilt.
 
2. aus rechtem Auge blickt Viçva,
im Manas drinnen Taijasa,
im Raum im Herzen weilt ,
So ist dreifach im Leib sein Stand.
 
3. Grobes genießend ist Viçva,
Auserlesenes Taijasa,
——————
¹ Chând. 5,18,2 (Çañkara).
² Zehn Indriya's, fünf Prâṇa's, Manas, Buddhi, Ahañkâra, Cittam (Çañkara). Vgl. unten, S. 623 Anm.
³Bṛih. 4,2,3 oben S. 462
 

 

579

Mâṇḍûkya-Kârikâ 1,3.

 

Wonne genießend ist Prâjña,

Dreifach so sein Genießen ist.
 

4. An Grobem sättigt sich Viçva,

An Auserles'nem Taijasa,

An Wonne sättigt sich Prâjña,

Dreifach ist seine Sättigung.
 

5. Wer ist in diesen drei Ständen

Genießer? was Genuß-Objekt?

Wem dieses wohlbewußt beides,

Der genießt und wird nicht befleckt (Içâ 2).
 

6. Ein Ursprung ist aller Wesen

Als seiender, das ist gewiß:

Der Geist (purusha) als Lebenskraft (prâṇa)schuf sie

Getrennt wie Sonnenstrahlen nur.
 

7. Manche halten die Weltschöpfung

Für eine Machtentfaltung (vibhûti) nur,

Andre wieder für Traum halten

Die Schöpfung und für Blendwerk (mâyâ) nur.
 

8. Viele lassen die Weltschöpfung

Auf Wunsch Gottes allein entstehn,

Andre glauben, die Zeit habe

Alle Wesen hervorgebracht.
 

9. Zum Genuß sich, zum Spielzeuge

Schuf sie Gott, meinen andere; —

Nein! sie ist Gottes Selbstwesen!

Was kann wünschen, wer alles hat?

 

 

580

Atharvaveda.

 

10. Allgenugsam zur Austilgung

Aller Schmerzen, unwandelbar,

Als Einheit alles durchdringend

Ist der Gott, der der Verte heißt.
 

11. Wirkung und Ursache-behaftet

Sind der viçva und Taijasa,

Ursachbehaftet ist Prâjña,

Beide gelten vom Vierten nicht.
 

12. Nicht der Wahrheit noch Unwahrheit,

Nicht seiner selbst noch anderer

Ist irgend sich bewußt Prâjña, —

Ewig alles der Vierte schaut.
 

13. Im Nichterkennen der Vielheit

Sind der Prâjña und Vierte gleich;

Doch Prâjña liegt im Keimschlummer,

Der Vierte keinen Schlummer kennt.
 

14. Traum und Schlaf sind der zwei ersten,

Traumloser Schlaf des Prâjña ist,

Weder Träumen noch auch Schlafen

Schreibt zu dem Vierten, wer ihn kennt.
 

15. Der Träumende erkennt irrig,

Gar nicht erkennt der Schlafende;

Beide irren; wo das schwindet,

Da wird der vierte Stand erreicht.
 

16. In anfanglosem Weltblendwerk

Schläft die Seele; wenn sie erwacht,

Dann wacht in ihr das zweitlose Schlaf-

und traumlose Ewige.
 

17. Bestünde die Weltausbreitung,

So müßte sie vergehen erst;

Doch alle Vielheit ist Blendwerk,

Vielheitlos ist die Wirklichkeit.
 

18. Widerlegbar sind Annahmen

Nur, wenn einer sie aufgestellt;

Doch hier sind sie nur Lehrmittel;

Dem, der weiß, ist die Vielheit nichts.
 

19. Sehr gleicht Viçva dem a-Laute

Durch Ähnlichkeit des Erster-seins,

Durch-Moren-Übereinstimmung

Sind auch gleich im Erlangen sie.
 

20. Taijasa gleicht dem u-Laute

In dem Hochhalten offenbar,

Durch Moren-Übereinstimmung

Sind auch gleich sie im Beidessein.
 

21. Sehr gleicht Prâjña dem m-Laute.

Durch des Aufbauens Ähnlichkeit,

Durch Moren-Übereinstimmung

Sind auch gleich im Vernichten sie.
 

 

 
582

Atharvaveda.

 

22. Weil er in den drei Zuständen

Klar durchschaut diese Ähnlichkeit,

Darum gebührt dem Hochweisen

Von allen Wesen Ehr' und Preis.
 

23. Der a-Laut führt zum Ziel Viçva,

Der u-Laut führt den Taijasa,

Der m-Laut führt zum Ziel Prâjña, —

Kein Ziel des Moralosen ist.
 

24. Nach Vierteln wisse den 0m-Laut,

Seine Moren die Viertel sind;

Wer nach Vierteln den Om-Laut kennt,

Braucht nichts weiter zu wissen mehr. .
 

25. Im heil'gen Ruf geh' auf denkend,

Er ist Brahman, das furchtlose,

Wer stets im heil'gen Ruf aufgeht,

Der fürchtet sich vor keinem mehr.
 

26. Der heil'ge Ruf ist das nied're,

Er ist das höh're Brahman auch,

„Ohne Früheres und Spät'res,

Ohne Inn'res und Äußeres" (Bṛih. 2,5,19).
 

27. Denn er ist aller Welt Anfang,

Ist Mitte ihr und Ende auch,

Wer so den heil'gen Ruf weiß, der

Wird alsbald mit ihm eins sodann.
 

28. Den heil'gen Ruf als Gott wisse,

Der im Herzen von allem thront;
 

 

583

Mâṇḍûkya-Kârikâ 1,28.

 

Der Weise, der den Om-Laut kennt

Als allerfüllend, trauert nicht.
 

29. Unendlichteilig und teillos,

Ist er der Zweiheit sel'ge Ruh;

Wer als solchen den Om-Laut kennt,

Ist ein Muni, kein anderer.
 

 

Zweiter Teil,
genannt Vaitathyam, „die Unwahrheit".

 

 


1. Alles, was wir im Traum sehen,
Ist unwahr, sagen Weise uns,
Weil alles dies nur inwendig,
Weil es in uns bechlossen liegt;
 
2. Auch weil die Zeit zu kurz wäre
Zum Besuch ferner Gegenden,
Und weil wir ja beim Aufwachen
Nicht sind in jenen Gegenden.
 
3. „Da sind nicht Wagen, nicht Straßen,"
Lehrt die Schrift (Bṛih. 4,3,10) und das Denken uns,
So ist des Träumens Unwahrheit
Erwiesen und auch offenbart.
 
4. Weil Vielheit hier nur inwendig,
Ist sie es auch im Wachen nur;
Hier wie dort ist nur Vorstellung,
In uns beschlossen, hier wie dort.¹
 
5. Des Träumens Zustand und Wachens
Als derselbe den Weisen gilt,
Denn gleich ist beiden die Vielheit, —
Aus diesem wohlerwiesnen Grund.
 
6. Was nicht vorher und nicht nachher,
Ist auch nicht in der Zwischenzeit;
Obwohl es unwahr ist, wird es
Für nicht unwahr doch angesehn.
 
——————
¹ Lies: saṃvṛitatve na bhidyate.
 
 

584

Atharvaveda.


 

7. Des Wachens Tun ist zweckmäßig,
Aber nicht, wenn wir träumen, mehr;
Drum, weil es anfängt und aufhört,
Kann auch es nur auf Trug beruhn.
 
8. Auch was am Träume neu, stammt nur
Aus dem Geld, und wenn Götter ihm
Erscheinen, schaut er sie so nur,
Wie er über sie ward belehrt.
 
9. Was er träumend im Geist bildet
Innerlich, das ist unreal,
Wiewohl sein Geist es griff draußen,
Als gesehn unwahr beides ist.
 
10. Was er wachend im Geist bildet
Innerlich, das ist unreal,
Wiewohl sein Geist es griff draußen,
Folgerecht unwahr beides ist.
 
11. Wenn nun beiderlei Vielheiten
Unwahr im Traum und Wachen sind,
Wer erkemt beide Vielheiten,
Wer stellt sie im Bewußtsein vor?
 
12. Durch Selbsttäuschung der Gott Âtman
Stellt sein Selbst durch sich selber vor,
Erkennend beide Vielheiten, —
Feststeht dieser Vedântasatz.
 
13. Umwandelnd stellt er als andres
Vor, was nur im Bewußtsein ist,
Als draußen und als notwendig
Stellt in sich es der Âtman vor.
 
14. Geist ist des Innern Zeitmesser,
Die Vielheit der des Äußeren,
Ihr Unterschied liegt nur hierin,
Als Vorstellung sind beide gleich.
 
15. Undeutlich ist die Welt drinnen
Deutlich die Welt, die draußen liegt;
Dem Sinnorgan nach verschieden,
Sind sie Vorstellung beide gleich.
 

 

585

Mâṇḍûkya-Kârikâ 2,16.

 


16. Die Seele stellt man vor erstlich,
Sodann der Dinge Sonderheit,
Der äußeren und der drinnen,
Wie man weiß, so erinnert man.
 
17. Wie ein Strick, nicht erkannt deutlich
Im Dunkeln, falsch wird vorgestellt
Als Schlange, als ein Strich Wassers,
So wird falsch vorgestellt das Selbst (âtman).
 
18. Wie, wenn der Strick erkannt deutlich, .
Und die falsche Vorstellung weicht,
Er nur Strick bleibt unzweiheitlich,
So, wenn deutlich erkannt, das Selbst.
 
19. Wenn er sah Prâṇa's, als alle
Die vielen Dinge uns erscheint,
So ist das alles nur Blendwerk (mâyâ),
Mit dem der Gott sich selbst betrügt.
 
20. Prâṇa-Kennern ist er Prâṇa's (Vaiçeshika's),
Elemente dem, der sie kennt (Lokâyatika's),
Gua-Wissern ist er Gua's (Sâñkhya's),
Tattva's ist' er dem, der sie kennt (Çaiva's).
 
21. Viertelwissern ist er Viertel (Mâṇḍûkya-Up.),
Sinnlichkeitswissern Sinnlichkeit (Vâtsyâyana),
Den Weltraumwissern Welträume (Paurâṇika's),
Götter den Götterkundigen (Veda-Anhängern).
 
22. Den Vedawissern ist Veda’s,
Den Opferwissern Opfer er,
Genießer denen, die diesen,
Genußobjekt, die dies verdehn.
 
23. Subtil für solche, die dieses,
Grob für solche, die dies verstehn,
Gestaltet denen, die dieses,
Ungestaltet, die dies verstehn.
 
24. Zeit ist er für die Zeitwisser,
Für Raumkenner ist er der Raum,
Künste ist er für Kunstkenner,
Weltschichten dem, der diese kennt.
 
 
586

Atharvaveda.

 

25. Für Manas-Kenner ist Manas,
Für Buddhi-Kenner Buddhi er,
Geist ist er für die Geistwisser,
Recht und Unrecht dem, der sie kennt.
 
26. Fünfundzwanzigfach für diese (Sâñkhya's), Jenen als sechsundzwanzigster (Pâtañjala's),
Einunddreißigfach für andre (Pâçupata's),
Unendlich gilt für viele er (vgl. Cûlikâ 14).
 
27. Welten ist er dem Weltkenner,
Lebensstadien, dem der sie kennt,
Drei-Genushaft den Sprachlehrern,
lindern nied'res und höheres (sc. Brahman).
 
28. Für Schöpfungswisser Weltschöpfung,
Für Vergangwisser Weltvergang,
Weltbestand für Bestandwisser, —
So ist alles er allerwärts.
 
29. Welches Sein man so andichtet
Dem Âtman, dafür hält er sich,
Das hegt er und, zu ihm werdend,
Gibt er ihm sich als Dämon hin.
 
30. Er Selbst kennt alle Seinsformen,
Von denen er verschieden scheint, —
Wer dies weiß, wird sich vorstellen
Ohne Scheu, wie es wirklich ist.
 
31. Wie Traum und Blendwerk man ansieht,
Wie eine Wüstenspieglung,
So sieht an dieses Weltganze,
Wer des Vedânta kundig ist.
 
32. Kein Vergang ist und kein Werden,
Kein Gebundner, kein Wirkender,
Kein Erlösungsbedürftiger,
Kein Erlöster, der Wahrheit nach.
 
33. Als unreale Seinsformen
Und als Einer wird er gedacht,
Doch wer sie denkt, ist stets Einer,
Drum die Einheit den Sieg behält.
 

 

587

Mâṇḍûkya-Kârikâ 2,34.

 

34. Nicht auf den Âtman stützt Vielheit
Und auch nie auf sich selber sich,
Nicht neben ihm und nicht durch ihn
Kann bestehn sie, das ist gewiß.
 
35. Furcht, Zorn und Neigung ablegend,
Schaut zweiheitlos und wandellos
Der Weltausbreitung Aufhören
Der Muni, der den Veda kennt.
 
36. Wer so erkannt der Welt Wesen,
Der halte an der Einheit treu;
Der Zweiheitlosigkeit sicher,
Geht er kalt an der Welt vorbei.
 
37. Von Preisen frei und Lobsingen,
Ja, auch ohne den Manenkult,
In allem, was da lebt, heimisch,
Lebt er so ,,wie es eben kommt" (Bṛih. 3,5).
 
38. Das Wesen in sich selbst sehend,
Das Wesen in der Außenwelt,
Zu ihm werdend, in ihm ruhend,
Hält er treu an dem Wesen fest.
 
 

Dritter Teil,
genannt Advaitam,
»die Zweiheitlosigkeit'.

 

1. Verehrung das Gebot fordert
Des Brahman als Gewordenen,
Eh' es ward, war es noch nicht da,
Drum armselig Verehrer sind.
 
2. Was nicht armselig, hört jetzo,
Ungeboren, gleich allerwärts,
Und warum nichts entsteht irgend,
Obwohl entstehend überall.
 
3. Der Âtman gleicht dem Weltraume,
Der Jîva gleicht dem Raum im Topf,
Die Töpfe sind die Leibstoffe,
Was „entstehn" heißt, dies Gleichnis zeigt.

 

 
 
588

Atharvaveda.

 

4. Wenn die Töpfe zugrund gehen,
Was wird dann aus dem Raum im Topf?
Er zergeht in dem Weltraume, —-
So der Jîva im Âtman auch.
 
5. Wie, wenn in einem Topfraume
Staub sich vorfindet oder Rauch,
Nicht alle Räume dies teilen,
So die Jîva's nicht Lust und Leid.
 
6. Ja, Formen, Wirkungen, Namen
Sind verschieden nach ihrem Ort,
Doch der Raum, den sie einnehmen,
Ist sich gleich, — so die Jiva's auch.
 
7. Wie der Topfraum vom Weltraume
Kein Produkt ist und auch kein Glied,
So ist der Jîva vom Âtman
Kein Produkt, auch kein Glied von ihm.
 
8. So wie der Himmelsraum Kindern
[Obwohl farblos,] als blau erscheint,
So scheint behaftet mit Flecken
Unerfahrnen der Âtman auch.
 
9. Was Sterben und Entstehn angeht,
Fortgehn und Wiederherkommen
Und alle Körper Durchsetzen, —
Ist dem Raume vergleichbar er.
 
10. Doch traumgleich alle Leibstofie
Als Trug der Âtman breitet aus;
Weder als gleich, noch als ungleich
An Rang lassen sie denken sich.
 
11. Als Seele (jîva) in den fünf Hüllen,
So lehrt das Taittirîyakam (Taitt. Up. 2),
Der höchste Âtman versteckt ist,
Er, den dem Raum verglichen wir.
 
12. Im Honigteile (Bṛih. 2,5) wird paarweis
Das höchste Brahman aufgezeigt, —
Wie in der Erd' und im Leibe, —
Er, den dem Raum verglichen wir.
 

 

589

Mâṇḍûkya-Kârikâ 3,13.

 

13. Wenn die Schrift Jîva und Âtman
Durch Gleichsetzung für eins erklärt,
Verwerfend alles Vielheitein,
So ist das wahr in vollem Sinn.
 
14. Doch wenn auch vor der Weltschöpfung
Sie beide auseinander hält (Chând. 6,3,2),
So gilt das bildlich, nicht wörtlich,
Und nur von dem, was werden soll.
 
15. Und wenn sie überhaupt Schöpfung
Im Bild von Ton, Erz, Funken lehrt (Chând. 6,1,3. Bṛih. 2,1,20),
So dient dies nur als Lehrmittel (vgl. 1,18),
Denn ,,nicht ist Vielheit irgendwie" (vgl. Bṛih. 4,4,19).
 
16. Schüler gibt es in drei Stufen,
Schwache , mittlere, treffliche ;
Um ihrer willen, aus Mitleid
Verehrungsobjekt Brahman wird.
 
17. Auf ihrer Sätze Standpunkt stehn
Zuversichtlich die Zweiheitler,
Doch widersprechen sie selbst sich,
Bei uns fehlt dieser Widerspruch.
 
18. In Wahrheit ist die Unzweiheit,
Zweiheit nur in der Spaltungswelt;
Sie lehren beiderseits Zweiheit,
Bei uns fehlt solcher Widerspruch.
 
19. Als Blendwerk nur besteht Spaltung
Jenes Einzigen, Ewigen,
Denn wäre Spaltung in Wahrheit,
Sterblich würde, was ewig ist.
 
20. Vom ungewordnen Sein nehmen
Jene Lehrer ein Werden an, —
Was ungeboren, unsterblich,
Wie könnte sterblich werden das!
 
21. Was unsterblich, kann nicht sterblich,
Was sterblich, nicht unsterblich sein,
Kein Ding kann anders sein jemals,
Als es seiner Natur nach ist.
 

 
 
590

Atharvaveda.


22. Wenn ein unsterbliches Dasein
Überginge in Sterblichsein,
Nur scheinbar wär' es unsterblich,
Wo bliebe seine Ewigkeit?
 
23. Von Wahrheit oder Schein redend,
Stets von der Schöpfung Gleiches lehrt
Die Schrift, sicher und grundhabend,
Ist's, wie sie sagt, und anders nicht.
 
24. „Nicht ist hier Vielheit" so heilßt es (Bṛih. 4,4,19),
„Durch Blendwerk vielfach Indra geht" (Bṛih. 2,5,19),
„Als ungeboren wird vielfach" (Vâj. Saṃh. 31,19)
Durch Blendwerk nur geboren er.
 
25. Durch Bestreituog der Sambhüti (Îçâ 12)
Wird ein Entstehen abgewehrt;
,,Wer könnte ihn hervorbringen?"
Dies Wort (Bṛih. 3,9,28) zeigt ihn als ursachlos.
 
26. Das Wort: ,,er ist nicht so, nicht so" (Bṛih. 4,2,4.),
Absprechend alles Sagbare,
Kann, wie die Unerkennbarkeit
Zeigt, auf Ihn sich beziehen nur.
 
27. Das Seiende kann nicht werden,
Es wäre denn durch Blendverk nur;
Wer es in Wahrheit läßt werden,
Läßt werden, was schon war vorher.
28. Nicht in Wahrheit, noch als Blendwerk
Kann je entstehn Nichtseiendes;
Ein Sohn der Unfruchtbaren wird
Nicht in Wirklichkeit, noch im Schein.
 
29. Wie im Traume der Geist regt sich,
Als viel scheinend durch Täuschung nur,
So im Wachen der Geist regt sich,
Als viel scheinend durch Täuschung nur.
 
30. Ab viel erscheint, der nur eins ist,
Im Traum der Geist, — das ist ja klar;
Als viel erscheint, der nur eins ist,
Der wache Geist, — auch das ist klar.
 

 

591

Mâṇḍûkya-Kârikâ 3,31.

 

31. Alles wird nur im Geist sichtbar,
Was als Vielheit hier geht und steht;
Und wenn der Geist von sich selbst kommt,
Ist die Vielheit nicht sichtbar mehr.
 
32. Sobald der Geist nicht mehr vorstellt,
Weil ihm aufging das Âtman-sein,
Nimmt, als Nichtgeist, er nicht wahr mehr,
Weil nichts mehr wahrzunehmen bleibt.
 
33. Als ewig wandellos Wissen,
Vom Gewußten verschieden nicht,
Das Brahman wird gewußt allzeit,
Vom Ew'gen Ew'ges wird gewußt.
 
34. Dieser Vorgang besteht darin,
Daß zwangweis alle Regungen
Des Geistes unterdrückt werden, —
Anders ist es im tiefen Schlaf
 
35. Der Geist erlischt im Tießchlafe,
Nicht erlischt er, wenn unterdrückt,
Sondern Brahman, das furchtlose,
Wird er, ganz nur Erkenntnislicht,
 
36. Das ew'ge, schlaf- und traumlose,
Das ohne Namen und Gestalt,
,,Mit eins aufleuchtend" (Chând. 8,4,1), allwissend, —
Ihm gilt keine Verehrung mehr.
 
37. Von ihm weicht alle Wehklage,
In ihm ist keine Sorge mehr,
Ganz befriedigt, mit eins Licht, ist
Festes, furchtloses Sinnen es.
 
38. Kein Nehmen ist da, kein Geben,
Wo keine Sorge mehr besteht,
Dann ist nur in sich selbst ruhend
Das ew'ge Wissen, selbst sich gleich.
 
39. Das heißt der Ungefühl-Yoga,
Schwer zu schauen dem Yogin selbst,
Da auch selbst Yogin's ihn scheuen,
Vor dem Furchtlosen fürchtend sich.
 

 

592

Atharvaveda.

 

 

40. Der Geist muß unterdrückt werden,
Damit zuteil dem Yogin wird
Das Furchtlose, das Schmerzlose,
Die Erweckung, die ew'ge Ruh.
 
41. Wie wenn zerfließt im Weltmeere¹
Der Tropfen, der am Grashalm hing,
So des Geistes Unterdrückung
Erfolgt ohne Beschwerlichkeit.
 
42. Man unterdrücke methodisch
Den Geist, den Wunsch und Lust zerstreut,
Ganz ruhig wird er dann schwinden,
Sein Schwinden ist wie Liebeslust.
 
43. Man welß, daß alles voll Schmerzen,
Und wendet sich von Wunsch und Lust;
Man welß, daß alles nur Brahman,
Und sieht nicht das Gewordne mehr.
 
44. Weckt den Geist, will er nichts werden (einschlafen),
Sammelt ihn, will er sich zerstreun;
Beides wisse man als sündhaft;
Ward er brahmangleich, stört ihn nicht!
 
45. Freilich schmeckt er dann nicht Lust mehr,
Keiner Begierde sich bewußt:
Sein Denken, ungestört wirkend,
Strebe eifrig zur Einheit hin.
 
46. Wenn dann weder im Schlaf schwindet
Der Geist, noch auch Zerstreuung sucht,
Dann tritt hervor er als Brahman,
Regungslos und vom Scheine frei.
 
47. Als frei, beruhigt und leidlos,
Als unaussprechlich höchste Lust,
Als ewig, ewigen Objekts
Allbewußt, schildern Kenner es.
 
——————
¹ Vielleicht ist udadhau zu lesen. Zur Auffasstmg des Scholiasten kann ich mich nicht entschließen.
 

 

593

Mâṇḍûkya-Kârikâ 3,48.
 

48. Keine Seele entsteht jemals,

Kein Entstehn ist der ganzen Welt,

Das ist die höchste Heilswahrheit,

Daß es nirgend ein Werden gibt!
 


 
Vierter Teil,
genannt Alâtaçânti,

„die Beilegung des Feuerbrandes¹".

 

1. Der wie Wolken im Weltraume

Die Vielheiten im Einen weiß,

Das Subjekt und zugleich Objekt

Ist, — ihn ehr' ich, den Purusha!
 

2. Den wir als Ungefühl-Yoga,

Allem Seienden freund und gut,

Widerspruchlos, unanfechtbar,

Aufgezeigt (3,39), — ihm Verehrung sei!
 

3. ,,Ein Werden ist nur des, was ist",

So sagen manche Denker uns; —

,,Nein! des, was nicht ist", so andre,

Gegenseitig in Widerspruch.
 

4. ,,Was ist, das kann doch nicht werden!" —

,,Was nicht ist, kann auch werden nicht!" —

So streitend, für das Nichtwerden,

Gleich Nichtzweiheitlern, zeugen sie.
 

5. Uns freut, wenn sie dadurch zeigen,

Daß ein Werden unmöglich ist; —

Daß wir uns nicht, wie sie alle,

Widersprechen, das höret jetzt.
 

6. Des Ungewordenen Werden

Nehmen jene Behaupter an,

Doch, was nicht ward, was unsterblich,

Wie könnte sterblich werden das?
 
——————
¹) D. h. wohl: ,,die Widerlegung des (scheinbaren, durch Umschwingung des Feuerbrandes entstehenden) Funkenkreises".
 

 
 

594

Atharvaveda.

 

 

7. Was unsterblich, kann nicht sterblich,

Was sterblich, nicht unsterblich sein,

Kein Ding kann anders sein jemals,

Als es seiner Natur nach ist (= 3,21).
 

8. Wenn ein unsterbliches Wesen

Überginge in Sterblichsein,

Nur scheinbar wär' es unsterblich,

Wo bliebe seine Ewigkeit (= 3,22) ?
 

9. Wesenseigen , bestandbildend,

Angeboren und ungemacht,

Das eigne Sein nie aufgebend, —

So ist, was ,,die Natur" (prakṛiti) man nennt.
 

10. Ungeboren und unsterbend

Sind Selbstheiten (dharma) dem Wesen nach;

Der ist der Selbstheit unkundig,

Der sie entstehn und sterben läßt.
 

11. Für wen die Ursach wird Wirkung,

Der läßt werden die Ursache, —

Wie kann, was ewig ist, werden?

Wie, was eigen ist, trennen sich?
 

12. Wird die Ursache selbst Wirkung,

Dann ist ewig die Wirkung schon,

Und doch wird sie! und ihr Werden

Läßt die Ursach verloren gehn!
 

13. Nein! Wer das Ew'ge läßt werden,

Dem steht keine Erfahrung bei;

Und wer Gewordnes läßt werden,

Verfällt in ewigen Regreß!
 

14. Wenn ein Erfolg des Grunds Ursprung,

Und der Grund Ursprung des Erfolgs,

Dann wären anfanglos beide,

Grund und Erfolg, wie kann das sein?
 

15. Wenn ein Erfolg des Grunds Ursprung,

Und der Grund Ursprung des Erfolgs,

Dann ist wohl das Entstehn beider,

Wie wenn der Sohn den Vater zeugt?
 
 
 
595

Mâṇḍûkya-Kârikâ 4,16.

 

16. Grund und Erfolg, wenn entstanden,

Erheischen Reihenfolge doch;

Denn entstehen sie gleichzeitig,

Wie zwei Hörner, so fehlt das Band.
 

17. Daß aus Erfolgen entspränge

Der Grund selbst, ist beweisbar nicht,

Und ist der Grund unbeweisbar,

Wie kann er wirken den Erfolg?
 

18. Wenn aus Erfolg der Grund folgte

Und aus dem Grunde der Erfolg,

Welcher von beiden ist früher,

Und sein Folgen nur relativ?
 

19. So legt Unmöglichkeit (4,14), Unsinn (4,15)

Und Verwirrung der Zeitordnung (4,16— 18),

In die die Gegner stets fallen,

Für das Nichtwerden Zeugnis ab.
 

20. Der Fall von Samen und Pflanze

Ist nur scheinbar beweisend hier¹;

Was aber nur beweist scheinbar,

Ist zum Beweisen tauglich nicht.
 

21. Der Widersinn der Zeitfolge (4,15)

Bestätigt das Nichtwerden nur;

Da Werdendes zurückweisen

Sicher würde auf Früheres.
 

22. Nicht aus sich selbst, noch aus anderm

Kann ein Wesen entstehen je;

Nicht als seiend, noch nichtseiend,

Noch als beides, kann es entstehn.
 
——————
¹ Das Verhältnis zwischen Same und Pflanze muß entweder einen Anfang haben oder anfanglos sein; beides aber ist unmöglich. Es hat keinen Anfang: denn jede Pflanze setzt immer schon den Samen, jeder Same wiederum die Pflanze voraus. Es kann auch nicht anfanglos sein: denn jede Pflanze, jeder Same ist in der Zeit entstanden, hat also einen Anfang. Oder sollen alle Glieder zeitlich, und nur ihr Verhältnis anfanglos sein?
Auch das ist unmöglich; na hi vîja-añkura-vyatirekeņa vîja-añkura-saṃtatir nâma ekâ abhyupagamyate; denn das Verhältnis ist nur das Band zwischen den Gliedern, setzt also diese schon voraus und ist ohne dieselben nichts (nach Çañkara).


 
596

Atharvaveda.

 

23. Grund und Erfolg, wenn anfanglos,

Schließen das Werden von sich aus;

Wofür es gibt keinen Anfang,

Dafür gibt keinen Anfang es.
 
 
24. Wahrnehmung müsse Grund haben,

Weil unmöglich ihr Wechseln sonst,

Auch sei von uns unabhängig

Schmerz und Wahrnehmung, — meinen sie.
 
 
25. Wahrnehmung müsse Grund haben,

So beweisen sie künstlich uns, —
 
Doch daß der Grund keinen Grund hat,
 
Das lehrt Wesensbetrachtung uns.
 
 
26. Der Geist berührt nicht Objekte

Und auch nicht der Objekte Schein;
 
Wenn unreal die Objekte,

Ist's auch, vom Geist getrennt, ihr Schein.
 
 
27. Auch nicht, in den drei Zeitläuften,
 
Berührt je ein Objekt den Geist;
 
Grundloser Schein noch viel wen'ger;
 
Wie könnte werden der zum Grund!
 
 
28. Darum ist nirgend ein Werden,

Im Subjekt nicht, im Objekt nicht;
 
Wer eins von beiden läßt. werden,

Der wandelt in den Wolken nur.
 
 
29. Weil sonst das Ewige würde,

Ist unwerdend die Wesenheit;
 
Kein Ding kann anders sein jemals,
 
Als es seiner Natur nach ist (= 3,21. 4,7)
 
 
30. Wär' anfanglos der Samsâra,

So könnte er nicht endlich sein;
 
Wär' die Erlösung einfangend,
 
Sie könnte nicht unendlich sein.
 
 
31. Was nicht vorher und nicht nachher,

Ist auch nicht in der Zwischenzeit;
 
Obwohl es unwahr ist , wird es
 
Für nicht unwahr doch angesehn (= 2,6).
 


 
597

Mâṇḍûkya-Kârikâ 4,32.

 

32. Des Wachens Tun ist zweckmäßig,

Aber nicht, wenn wir träumen, mehr;

Drum, weil es anfängt und aufhört,

Kann auch es nur auf Trug beruhn (= 2,7).
 
 
33. Was im Träume wir wahrnehmen,

Ist irrig, weil im Körper nur;
 
Wie ließen Dinge sich schauen

In diesem eingeschlossnen Raum ?
 
 
34. Auch ist die Zeit nicht hinreichend,

Hinzugehen, um sie zu sehn;

Auch finden wir beim Aufwachen

Und nicht da, wo wir sie gesehn (vgl. 2,2).
 
 
35. Und was mit ändern man absprach,

Besteht nicht mehr, wenn man erwacht;

Und was im Traume man faßte,

Hält man, erwacht, in Händen nicht.
 
 
36. Auch was wir von dem Leib träumen,

Ist unwahr und nicht wie es ist;, —
 
Unwahr wie dieses, ist alles,

Was der Geist. nimmt im Wachen wahr.
 
 
37. Was wir, wie wachend, wahrnehmen

Im Traum, hat seinen Grund in uns;
 
So hat in uns seinen Grund auch,

Was wir im Wachen nehmen wahr.
  
 
38. Unbegreiflich ist Entstehung;
 
Alles als ewig lehrt die Schrift;
 
Nimmermehr kann hervorgehen

Aus Seiendem Nichtseiendes (Werdendes).
 
 
39. Nichtseiendes sehn wir wachend;
 
Das Traumbild ist aus gleichem Stoff.
 
Nichtseiendes sehn wir träumend;
 
Wenn wir erwachen, ist es nichts.
 
 
40. Nichtsein gebiert doch nicht Nichtsein,
 
Nichtsein gebiert auch nicht das Sein:
 
Und auch das Sein gebiert Sein nicht;

Sein kann Nichtsein gebären nicht.
 


 
598

Atharvaveda.

 

41. Wie man im Wachen als Irrtum

Unmögliches als seiend fasst,

So auch im Traume aus Irrtum

Sieht man Wesen erscheinen sich.
 
 
42. Aus Wahrnehmung und Herkommen

Halten am Realismus sie;

Was sie kennen ist nur Werden,
 
Zurückschreckend von dem, was ist.


 
43. Manche¹ vom Sein zurückschreckend,
 
Wenn auch nicht bloße Wahrnehmer,
 
Des Werdens Mängel nicht meiden;
 
Mängel bleiben es, wenn auch klein.
 

44. Durch Wahrnehmung, durch Herkommen

Heißt auch ein Blendwerk Elefant;

Durch Wahrnehmung, durch Herkommen

Heißt auch das Ding ein seiendes.
 

45. Werden ist Schein, Bewegung Schein,

Das Dingliche ist bloßer Schein;

Nichtwerdend, unbewegt, dinglos,

Still, zweiheitlos die Wahrheit ist.
 

46. So ist kein Werden im Subjekt,

Im Objekte kein Werden ist;΄

Wer dieses hat erkannt einmal,

Fällt nicht zurück ins Gegenteil.
 

47. Wie Funkenschwingung den Schein gibt

Grader und krummer Linien,

So den Schein Bewußtseinsschwingung

Von Auffassen und Aufasser.
 

48. Wie ungeschwungen der Funke

Nicht erscheint, nicht entsteht (als Kreis),
 
So Bewußtsein ungeschwungen
 
Erscheint nicht und entsteht auch nicht.
 
——————
¹ Die Anhänger des (religiösen) Herkommens (samâcâra), welche das Seiende in der Form des Werdens, die Wahrheit im Gewande des Mythos besitzen. — Bemerkenswert ist die Zurückhaltung, mit der sie hier getadelt
werden.
 
 
599

Mâṇḍûkya-Kârikâ 4,49.

 

 

49. Schwingt der Funke, so kommt der Schein

Nicht von anßen her irgendwie,

Nicht von anderm als dem Schwingen,
 
Nicht ist Zuwachs dem Funken er.
 
 
50. Auch nicht entflieht er dem Funken,

Weil er nicht hat ein Wirklichsein,

Ebenso ist's beim Erkennen,

Denn auch dieses ist bloßer Schein.
 
 
51. Schwingt Erkenntnis, so kommt der Schein

Nicht von außen her irgendwie,

Nicht von anderm als dem Schwingen,
 
Nicht ist Bewußtseinszuwachs er.
 
 
52. Nicht entflieht er dem Bewußtsein,

Weil er nicht hat ein Wirklichsein;
 
Weil Verursachtsein unwirklich,
 
Ist als wirklich undenkbar er.
 
 
53. Ein Ding, so meint man, sei Ursach
 
Des Daseins für ein andres Ding,
 
Doch für die Wesenheit gibt es

Kein Dingsein und kein Anderssein.
 
 
54. Weder aus Geist entspringt Dasein,

Noch aus Dasein entspringt der Geist;

Drum nehmen Weise kein Werden
 
Des Grunds oder Erfolges an.
 
 
55. Wer noch Grund und Erfolg annimmt,

Dem entstehn aus einander sie;

Wer frei von dieser Annahme,

Für den entstehen sie nicht mehr.
 
 
56. Wer noch Grund und Erfolg annimmt,

Für den streckt der Saṃsâra sich;

Wer frei von dieser Annahme,

Der ist auch vom Saṃsâra frei.
 
 
57. Wer geistumnachtet, sieht werdend
 
Alles, ein Ew'ges kennt er nicht;
 
In Wahrheit alles ist ewig,
 
Vernichtetwerden gibt es nicht.
 
 
 
600

Atharvaveda.


 
58. Die Wesenheiten, die werden,

Die werden nicht in Wirklichkeit;
 
Ihr Entstehen ist nur Blendwerk,
 
Und Blendwerk ist nicht Wirklichkeit.
 
 
59. Wie, wo der Same nur Blendwerk,

Auch die Pflanze ein solches ist,

Nicht wesenhaft noch austilgbar,

So steht’s mit allen Dingen hier.
 
 
60. Da alle Dinge nicht wirklich,

Gibt nicht Dauer es noch Vergang;

Wo alle Farben wegfallen,

Ist keine Unterscheidbarkeit.
 
 
61. Wie in des Traumes Scheinvielheit

Der Geist irrtümlich ist verstrickt,

So in des Wachens Scheinvielheit

Ist irrtümlich der Geist verstrickt.
 
 
62. Wie träumend eine Schein-Vielheit
 
Erblickt der vielheitlose Geist,
 
So wachend eine Schein-Vielheit
 
Erblickt der vielheitlose Geist.
 
 
63. Was man, im Traum umherschweifend

In allen Himmelsgegenden,

An Tieren, Vögeln, Insekten

Nur immer wahrzunehmen meint,
 
 
64. Das besteht nirgendwo anders

Als im Geiste des Träumenden;

Drum alles, was er dann sieht, ist

Nur Bewußtsein des Träumenden.
 
 
65. Was man, wachend umherschweifend

In allen Himmelsgegenden,

An Tieren, Vögeln, Insekten

Nur immer wahrzunehmen meint,
 
 
66. Das besteht nirgendwo anders

Als im Geiste des Wachenden;
 
Drum alles, was er dann sieht, ist
 
Nur Bewußtsein des Wachenden.
 
 

601

Mâṇḍûkya-Kârikâ 4,67.
 

 

67. Das Ding und seine Vorstellung

Bedingen gegenseitig sich;

Bestandlos ist für sich jedes,

Nur im Bewußtsein stehn sie da.
 
 
68. Wie wir von einem bloß träumen,

Daß er geboren wird und stirbt,

So sind all diese Weltwesen

Wirklich und doch auch wirklich nicht.
 
 
69. Wie wir im Wahngebild schauen,

Daß einer lebt und wieder stirbt,

So sind all diese Weltwesen

Wirklich und doch auch wirklich nicht.
 
 
70. Wie Zauberkunst uns läßt schauen,

Daß einer lebt und wieder stirbt,

So sind all diese Weltwesen

Wirklich und doch auch wirklich nicht.
 
 
71. Keine Seele entsteht jemals,

Kein Entstehn ist der ganzen Welt;
 
Das ist die höchste Heilswahrheit,

Daß es nirgend ein Werden gibt (= 3,48).
 
 
72. Was zweifach als Subjekt-Objekt

Scheint, ist Bewußtseinsschwingung nur (4,47);

Der Geist ist ewig objektlos,

,,An ihm haftet nichts", lehrt die Schrift (Bṛih. 4,3,15).
 
 
73. Wie es künstlich durch Annahme (3,15),

So ist es nicht in Wirklichkeit;

Was andre Schulen aunehmen,

Ist für sie, nicht in Wirklichkeit.
 
 
74, Was als ewig sie annehmen

Künstlich, ist wirklich ewig nicht;

Das Resultat andrer Schulen

Zeigt als Irrtum und werdend es.
 
 
75. An das, was nicht ist, Anpassung

Beweist nicht, daß es Zweiheit gibt;

Ist ihr Nichtsein erkannt, dann fällt

Die Anpassung als zwecklos weg.
 
 
 
 
 
602

Atharvaveda.

 

76. Wenn man nicht annimmt Ursachen

In allen Reichen der Natur,

So auch nicht ihre Vorstellung;

Mit der Ursach' die Wirkung fällt.
 
 
77. Geist ist grundlos; das Nichtwerden,
 
Zweiheitlos, ist ihm eigen stets;
 
Geisterscheinung nur ist Zweiheit
 
Des Ewigen, das alles ist.
 
 
78. Grundlosigkeit als wahr wissend,

Verwerfend Einzel-Ursachen,

Gelangt man zu dem furchtlosen,

Wunschlosen, kummerlosen Ort.
 
 
79. Sich anpassend dem, was nicht ist,

Bleibt in solches vertrickt der Geist;

Der Dinge Nichts erkannt habend,

Kehrt er zum Anhaftlosen (4,72) sich.
 
 
80. Wer dies ergreift und nicht läßt mehr,

Des Stand bleibt unbeweglich dann;

Der Weisen Ziel ist dies ew'ge

Zweiheitlose Identischsein.
 
 
81. Das schlummerlose, traumlose

Ew'ge ist dann sich selber Licht (Bṛih. 4,3,14. Kâṭh. 5,15):
 
,,Für immer licht" (Chând. 8,4,1) ist dies Wesen,

Ist diese Wesenheit an sich.
 
 
82. Gar leicht verbirgt er uns immer,

Gar schwer enthüllt sein Wesen er,

Solang wir einzeln auffassen

Die Dinge, — er, der heilige.
 
 
83. ,,Er ist!" ,,Ist nicht!" ,,Ist und ist nicht!"
 
,,Er ist nicht nicht!" so denkend ihn

Unstät, stät¹ zwiefach, neinsagend,

Verbirgt sein Wesen sich der Tor.
 
 
84. Durch dieser vier Gesichtspunkte

Verfolgung bleibt verborgen stets
 
——————
¹ Man erwartet: ,,stät (er ist), unstät (ist nicht)".

 
 
603

Mâṇḍûkya-Kârikâ 4,84.
 

 

Der Heil'ge, unberührt durch sie, —
 
Doch allschauend ist, wer ihn schaut.
 
 
85. Wer voll besitzt die Allschauung,

Den zweiheitlosen Brahman-Ort,

An dem nicht Anfang, Mitt', Ende,

Dem bleibt nichts zu erstreben mehr.
 

86. Das heißt echte Gemütsruhe,

Das ist die wahre Priesterzucht,

Das ist der Selbstnatur Zähmung,

Wer sie kennt, geht zur Ruhe ein.
 

87. Wahrnehmunghaft und objekthaft

Ist die zweithafte Weltlichkeit (Wachen);
 
Wahrnehmunghaft und objektlos
 
Ist geläuterte Weltlichkeit (Traum).
 

88. Wahrnehmunglos und objektlos,

Das heißt die Überweltlichkeit;
 
Ihr Subjekt ist zugleich Objekt,

So lehrten Weise aller Zeit.
 

89. Subjekt und die drei Objekte (4,87—88)
 
Stufenweis als in sich erkannt, —
 
Daraus entsteht die Allschauung,
 
Allerwärts des Hochsinnigen.
 
 
90. Erst frage man: was soll werden
 
Geflohn, erkannt, erlangt und reif?
 
Für’s Erkennen gilt Wahrnehmung,

Und so auch für die andern drei.
 
91. Alle Wesen sind ursprünglich

Unbegrenzt und dem Raume gleich (3,3 fg.),

Und nicht ist irgendwo Vielheit

Unter ihnen, in keinem Sinn.
 

92. Alle Wesen sind ursprünglich

Urerweckte (âdibuddha), das ist gewiß; —

Wer dieses sich genug sein läßt,

Der ist reif zur Unsterblichkeit.
 

93. Sie alle sind auch ursprünglich
Urberuhigt, voll Seligkeit;
 

604

Atharvaveda.
 

Sich gleich alle und unteilbar,

Ew'ge, reine Identität.
 
 
94. Doch diese Reinheit ist nicht mehr,

Wenn sie vielfach zersplittern sich;
 
Vielheitversunken, zwiespältig
 
Heißen darum armselig (3,1) sie.
 
 
 
95. Doch wem hier zur Gewißheit ward
 
Die ewige Identität,
 
Der welß in dieser Welt Großes,

Die Welt aber versteht es nicht.
 
 
96. Wissen des Ew'gen ist ewig

Auch, mit nichts sonst befassend sich;
 
Als nichtbefassend sich, heißt dies
 
Wissen das unanhaftende (4,72. 79).
 
 
97. Doch wo die kleinste Ungleichheit
 
Für wahr hält der unweise Geist,
 
Da ist weder Nichtanhaftung

Noch Weichen der Verdunkelung.
 
 
98. Alle Seelen sind ursprünglich

Frei vom Dunkel und fleckenlos,
 
Urerweckt schon und urerlöst
 
Erwachen sie, der Meister spricht.
 
 
99. Wie die Sonne durch sich leuchtet,
 
So Wissen ohne Dinge auch;
 
Alle Dinge sind nur 'Wissen, —
 
Unsagbar dem Erweckten selbst.
 
 
100. Die dunkle, überaus tiefe,

Ew'ge, reine Identität,
 
Der Einheit Stätte nach Kräften

Erkannt habend, verehren wir!
 

——————

 

<< 

Deussen, Prof. Dr. Paul, "Sechzig Upanishad's des Veda - aus dem Sanskrit übersetzt und mit Einleitungen und Anmerkungen versehen von Dr. Paul Deussen, Professor an der Universität Kiel", zweite Auflage, Leipzig, F.A. Brockhaus, 1905

 

 

 


Inhaltsverzeichnis zur Mandukya-Upanishade

 

Dieses Inhaltsverzeichnis mit Links zu den einzelnen Inhaltspunkten entsteht nur sehr allmählich ab der ersten Testphase am 22.10.2025.

 

Vorbemerkungen zur Mandukya-Upanishade

Sri Aurobindo's Übersetzung der Mandukya-Upanishade (vom Autor dieser WEBSeite ins Deutsche übersetzt)

Swami Nikhilananda's Übersetzung der Mandukya-Upanishad inklusive seiner Übersetzungen der Kommentare von Gaudapada und Shankara's Kommentar ins Englische dazu (vom Autor dieser WEBSeite ins Deutsche übersetzt):

Professor Deussen's Übersetzung  der Mandukya-Upanishade, Gaudapada's Kommentar dazu (aus dem Sanskrit ins Deutsche) und Anmerkungen von Prof. Deussen:

Professor Deussen's Übersetzung  von Gaudapada's Kommentar zur Mandukya-Upanishade:

 

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